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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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überraschte mich so sehr, dass ich ganz vergaß, wie meine Finger liefen, und das Lied verpatzte. Es gab großes Gelächter, und ich verneigte mich, um die Peinlichkeit der Situation zu überspielen. Das Publikum applaudierte und buhte zu gleichen Teilen, weidete sich an meinem Versagen mehr, als es sich an dem Lied ergötzt hatte. So sind die Menschen nun mal.
    Ich wartete ab, bis ich nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, und ging dann unauffällig zu Denna hinüber.
    Sie erhob sich, um mich zu begrüßen. »Ich hatte gehört, dass du auf dieser Seite des Flusses auftrittst«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, dass du das Engagement lange behalten wirst, wenn du jedes Mal so aus dem Takt kommst, wenn dir ein Mädchen zuwinkt.«
    Ich spürte, dass ich ein wenig rot wurde. »So oft kommt das nicht vor.«
    »Dass dir ein Mädchen zuwinkt, oder dass du ins Stocken kommst?«
    Mir fiel keine Antwort ein, und ich spürte, wie ich immer röter wurde. Sie lachte. »Wie lange spielst du denn heute Abend noch?«, fragte sie.
    »Nicht mehr lange«, log ich. Dabei schuldete ich Anker noch mindestens eine Stunde.
    »Prima. Ich brauche jemanden, der mich nach Hause geleitet.«
    Ich konnte mein Glück kaum fassen und verbeugte mich. »Stets zu Diensten. Ich bin gleich so weit.« Ich ging zum Tresen, wo Anker und zwei Kellnerinnen damit beschäftigt waren, Getränke einzuschenken.
    Da ich Ankers Blick nicht erhaschen konnte, zog ich an seinerSchürze, als er an mir vorbei eilte. Er blieb abrupt stehen und hätte beinahe ein mit vollen Gläsern beladenes Tablett auf einen voll besetzten Tisch geschleudert. »Verdammt noch mal, Junge, was ist denn mit dir los?«
    »Anker, ich muss weg. Ich kann heute Abend nicht bis zur Sperrstunde spielen.«
    Er sah mich mit säuerlichem Blick an. »Die vielen Leute sind nicht hier, weil ich sie darum gebeten habe. Und wenn es keine musikalische Unterhaltung mehr gibt, bleiben sie auch nicht mehr lange.«
    »Ich spiele noch ein Lied. Ein langes. Aber danach muss ich weg.« Ich sah ihn mit verzweifelter Miene an. »Ich schwöre dir, ich hole es nach.«
    Er musterte mich. »Steckst du in Schwierigkeiten?« Ich schüttelte den Kopf. »Dann ist es wegen eines Mädchens.« Hinter ihm wurde lautstark nach Getränken gerufen, er sah sich um und scheuchte mich dann mit einer Handbewegung fort. »Also gut. Aber denk dran: Ein schönes, langes Lied. Und dafür bist du mir was schuldig.«
    Ich ging zurück in den Schankraum und klatschte in die Hände, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu erlangen. Als es im Raum einigermaßen still geworden war, begann ich zu spielen. Und beim dritten Akkord wussten alle, welches Lied es war: Tinker Tanner . Das älteste Lied der Welt. Ich ließ die Laute los und begann in die Hände zu klatschen. Bald schlugen alle im gleichen Takt den Rhythmus, klopften mit den Krügen auf die Tischplatten oder trampelten mit den Füßen.
    Der Lärm war fast ohrenbetäubend, aber als ich das eigentliche Lied anstimmte, wurde das Publikum stiller. Beim Refrain sangen dann alle mit, manche mit eigenem Text, manche auch in eigener Tonart. Gegen Ende der zweiten Strophe gesellte ich mich an einen Tisch und ließ den ganzen Saal erneut den Refrain anstimmen.
    Dann zeigte ich mit erwartungsvoller Geste auf den Tisch, an dem ich stand, um die dort Sitzenden aufzufordern, nun selbst eine Strophe zu singen. Es dauerte einen Moment, bis sie verstanden hatten, was ich wollte, aber die gespannte Erwartung des ganzen Saals brachte einen schon recht angeheiterten Studenten dazu, eine eigene Strophe zu krähen. Er erntete tosenden Applaus damit. Und als dannwieder alle gemeinsam den Refrain sangen, ging ich zu einem anderen Tisch und wiederholte das Spielchen dort.
    Es dauerte nicht lange, und die Leute ergriffen selbst die Initiative, eine eigene Strophe zu singen, wenn der Refrain vorüber war. Ich fand Denna, die am Eingang auf mich wartete, und gemeinsam schlichen wir hinaus in die Abenddämmerung.
    »Das hast du sehr geschickt gemacht«, sagte sie. »Was glaubst du, wie lange singen die noch weiter?«
    »Das hängt davon ab, wie schnell Anker mit frischen Getränken zur Stelle ist.« Ich blieb am Eingang der Gasse stehen, die zwischen der Rückseite des Wirtshauses und der Bäckerei nebenan verlief. »Wenn du mich kurz entschuldigst. Ich muss noch meine Laute wegbringen.«
    »In diese Gasse?«
    »Auf mein Zimmer.« Geschickt und flink kletterte ich hinauf. Rechter Fuß auf die

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