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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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kaustisch. Wenn du etwas davon auf den Arm bekommst, ätzt es ihn in zehn Sekunden bis auf den Knochen durch.«
    Unter den Augen aller Anwesenden zog sich Kilvin einen dicken Lederhandschuh an und füllte etwa eine Unze der dunklen Flüssigkeit in eine Phiole. »Die Phiole muss vor dem Befüllen gekühlt werden, denn das Mittel beginnt schon bei Zimmertemperatur zu kochen.«
    Er verschloss die Phiole und hielt sie empor, so dass alle sie sehen konnten. »Der Druckverschluss ist ebenfalls unerlässlich, denn die Flüssigkeit ist äußerst flüchtig. Als Gas verfügt es über eine Oberflächenspannung und Viskosität – wie Quecksilber. Es ist schwerer als Luft und löst sich nicht auf. Es hält zusammen.«
    Ohne Vorwarnung schleuderte Kilvin die Phiole in eine nahe Feuergrube. Das Glas zerplatzte. Wie ich sehen konnte, war die Feuergrube für diesen Anlass leergeräumt worden.
    »Wirklich schade, dass er nicht mehr Showtalent hat«, flüsterte Manet. »Elxa Dal hätte das spektakulärer hinbekommen.«
    Ein lautes Knistern und Zischen zeigte an, dass sich die dunkle Flüssigkeit an den Steinen der Feuergrube erwärmte und zu kochen begann. Ich sah, wie ein dicker, öliger Rauch langsam den Grund der Grube bedeckte. Er reagierte aber nicht wie Rauch oder Nebel. Er löste sich an den Rändern nicht auf. Vielmehr sammelte er sich dort und hing wie eine kleine dunkle Wolke zusammen.
    Manet tippte mir auf die Schulter, und ich sah mich gerade rechtzeitig zu ihm um, um nicht von dem ersten Flammenstoß geblendet zu werden, als die Wolke Feuer fing. Die meisten anderen hatten nicht weggesehen und stießen erschrockene Schreie aus. Manet grinste mich an.
    »Danke«, sagte ich und sah weiter zu. Natriumrote Flammen flackerten über die Oberfläche der Wolke. Die zusätzliche Hitze ließ den Nebel noch schneller kochen, und er schwoll an, bis die Flammen den hüfthohen Rand der Grube erreichten. Selbst dort oben auf dem Laufsteg spürte ich die Wärme auf meinem Gesicht.
    »Wie zum Teufel nennt man so was?«, fragte ich Manet leise. »Feuernebel?«
    »Könnte man so nennen«, erwiderte er. »Kilvin würde es wahrscheinlich als atmosphärisch ausgelösten Brennvorgang bezeichnen.«
    Die Flammen flackerten noch einmal auf und erloschen dann. Sie ließen im Raum den beißenden Geruch von heißem Stein zurück.
    »Das Mittel ist nicht nur stark ätzend«, erklärte Kilvin, »sondern in gasförmigem Zustand auch leicht entflammbar. Wenn es hinreichend erwärmt wird, brennt es, sobald es mit Luft in Kontakt kommt. Und die dabei frei werdende Wärme kann eine exotherme Kettenreaktion auslösen.« Kilvin zeigte auf den Behälter und sagte: »Dieser Behälter dient dazu, das Mittel kühl und unter Druck zu halten. Seid bitte vorsichtig, solange er hier in der Werkstatt steht. Keine übermäßige Wärme in seiner Umgebung.« Damit machte Kilvin kehrt und ging zurück in sein Büro.
    »Das war’s?«, fragte ich.
    Manet zuckte die Achseln. »Was bliebe da noch zu sagen? Kilvin lässt nur Leute hier arbeiten, die vorsichtig sind, und jetzt wissen alle, warum sie vorsichtig sein sollten.«
    »Was soll das Zeug denn überhaupt hier?«, fragte ich. »Wozu dient es?«
    »Es jagt den Studienanfängern eine Heidenangst ein.« Manet grinste.
    »Hat es auch irgendwelche praktischen Anwendungsmöglichkeiten?«
    »Angst ist immer sehr praktisch«, erwiderte er. »Aber man kann damit eine andere Art von Emitter für Sympathielampen herstellen. Der erzeugt dann statt des üblichen rötlichen ein eher bläuliches Licht, das ein wenig augenfreundlicher ist. Und diese Lampen kann man dann für Unsummen verkaufen.«
    Ich sah in die Werkstatt hinunter, konnte Fela aber nirgends entdecken. So wandte ich mich wieder an Manet. »Willst du weiterhin den pflichtbewussten Mentor spielen und mir zeigen, wie es funktioniert?«
    Er fuhr sich mit den Händen durch die Mähne und zuckte die Achseln. »Klar, warum nicht.«

    Als ich an diesem Abend im Anker’s auftrat, fiel mir ein schönes Mädchen auf, das hinten an einem voll besetzten Tisch saß. Sie sah Denna erstaunlich ähnlich, aber mir war klar, dass ich mir das nur einbildete. Ich hoffte so sehr, ihr zu begegnen, dass ich schon seit Tagen glaubte, sie irgendwo aus den Augenwinkeln zu sehen.
    Ein zweiter Blick verriet mir die Wahrheit.
    Es war Denna. Sie sang mit den anderen Gästen im Anker’s bei Hirtentöchter mit. Als sie bemerkte, dass ich in ihre Richtung blickte, winkte sie mir zu.
    Ihr Auftauchen

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