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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Regentonne, linker Fuß auf den Fenstersims, linke Hand ans Regenrohr, und schon schwang ich mich auf das Dach über dem Erdgeschoss. Ich sprang über die Gasse auf das Dach der Bäckerei und lächelte Denna zu, die erschrocken zugesehen hatte. Von dort ging es weiter aufwärts, und dann sprang ich zurück auf das Dach über dem ersten Stock des Anker’s . Ich schob mein Fenster auf und legte die Laute vorsichtig auf mein Bett. Dann stieg ich auf dem gleichen Wege wieder hinunter.
    »Verlangt Anker Geld für die Nutzung seiner Treppe?«, fragte Denna.
    Ich sprang vom Regenfass und wischte mir die Hände an der Hose ab. »Ich komme und gehe zu den seltsamsten Uhrzeiten«, erklärte ich leichthin und gesellte mich wieder zu ihr. »Habe ich das richtig verstanden, dass du einen Gentleman suchst, der dich nach Hause geleitet?«
    Sie lächelte und sah mich von der Seite an. »Ganz recht.«
    »Das ist bedauerlich.« Ich seufzte. »Ich bin leider kein Gentleman.«
    Ihr Lächeln wurde breiter. »Du bist nah genug dran am Gentleman.«
    »Ich wäre aber gerne noch näher dran.«
    »Dann geh mit mir.«
    »Das würde ich herzlich gern. Aber …« Ich verlangsamte meine Schritte und setzte eine ernste Miene auf. »Was ist mit Sovoy?«
    Sie verzog den Mund zu einem Strich. »Dann hat er also einen Anspruch auf mich angemeldet?«
    »Nun, nicht direkt. Aber gewisse Formen wollen gewahrt sein …«
    »Ein Gentleman’s Agreement?«, fragte sie bissig.
    »Eher Diebesehre, wenn man so will.«
    Sie sah mir in die Augen. »Kvothe«, sagte sie in ernstem Ton. »Klau mich.«
    Ich verneigte mich mit großer Geste. »Wie du befiehlst.« Wir gingen weiter. Der Mondschein tauchte die Häuser rings umher in fahles Licht. »Wie geht es Sovoy überhaupt? Ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
    Sie machte eine wegwerfende Geste. »Ich auch nicht. Nicht dass er es nicht versucht hätte.«
    Ich schöpfte Hoffnung. »Tatsächlich?«
    Sie verdrehte die Augen. »Rosen! Ihr Männer habt eure romantischen Ideen offenbar alle aus dem selben Buch. Blumen sind ja etwas Schönes und auch ein schönes Geschenk für eine Frau. Aber immer sind es Rosen, und immer sind sie rot, und immer diese makellosen Exemplare aus dem Gewächshaus.« Sie sah mich an. »Wenn du mich siehst, denkst du da an Rosen?«
    Ich war klug genug, den Kopf zu schütteln und zu lächeln.
    »Woran dann? Wenn du keine Rose vor dir siehst – was siehst du?«
    Reingefallen. Ich betrachtete sie von Kopf bis Fuß, so als träfe ich eine Entscheidung. »Nun«, sagte ich langsam. »Du musst uns Männern das nachsehen. Es ist wirklich nicht leicht, die passende Blume für ein bestimmtes Mädchen zu finden. Das Problem ist, dass die Wahl der Blumen so unterschiedlich gedeutet werden kann. Ein Mann mag dir eine Rose schenken, weil er dich schön findet, oder weil er findet, dass die Blüte mit ihrer Form, ihrer Farbe und ihrer Weichheit deinen Lippen entspricht. Rosen sind teuer, und vielleicht will er dir damit zeigen, dass du ihm lieb und teuer bist.«
    »Zugegeben, das sind gute Gründe, Rosen zu schenken«, erwiderte sie. »Aber es bleibt dabei: Ich mag einfach keine Rosen. Denk dir eine andere Blume, die zu mir passt.«
    »In welcher Hinsicht passt? Wenn ein Mann dir eine Rose schenkt, siehst du darin womöglich etwas ganz anderes, als er damit beabsichtigt. Du denkst vielleicht, er sieht nur das zarte Geschöpf in dir, und mit so jemandem kannst du dann womöglich nichts anfangen. Die Rose hat vielleicht Dornen, und du nimmst an, dass er glaubt, du würdest eine Hand, die zu schnell zugreift, wahrscheinlich abwehren. Doch wenn er die Dornen entfernt, denkst du womöglich, er hätte nichts übrig für etwas, das sich zu verteidigen weiß. Das alles lässt sich auf so unterschiedliche Art und Weise interpretieren«, sagte ich. »Was soll ein achtsamer Mann da tun?«
    Sie warf mir einen Seitenblick zu. »Wenn du dieser Mann bist, wird er wahrscheinlich Vorträge halten und hoffen, dass die eigentliche Frage darüber in Vergessenheit gerät.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Aber das klappt bei mir nicht. Welche Blume würdest du für mich aussuchen?«
    »Also gut, lass mich mal nachdenken.« Ich sah sie an. »Gehen wir mal eine Anzahl durch. Löwenzahn wäre gar nicht schlecht; es ist leuchtend hell, und du hast etwas Leuchtendes an dir. Aber Löwenzahn ist doch recht gewöhnlich, und du bist kein gewöhnliches Wesen. Rosen haben wir ja schon ad acta gelegt. Ein

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