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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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die buchstäblich mit Händen zu greifen war. Wenn sie mich von der Seite ansah, mit einem verstohlenen Lächeln, vermittelte mir die Neigung ihres Kopfes und die Art, wie sie mir beinahe das Gesicht zuwandte, den Eindruck, sie hoffe, dass ich … irgendetwas unternahm. Sollte ich den Arm um sie legen? Sie küssen? Woher sollte ich das wissen? Und wie konnte ich mir sicher sein?
    Ich konnte es nicht. Also widerstand ich der Anziehung, die von ihr ausging. Ich wollte mir nicht zu viel erlauben, wollte ihr nicht zu nahe treten und mich nicht blamieren. Hinzu kam, dass DeochsWarnung mich verunsichert hatte. Vielleicht war das, was ich empfand, einfach nur Dennas Liebreiz und Ausstrahlung geschuldet.
    Wie alle Jungen in meinem Alter war ich ein Grünschnabel, wenn es um Frauen ging. Der Unterschied zwischen mir und den anderen war bloß, dass ich mir dieser Unfähigkeit schmerzlich bewusst war, wohingegen andere, wie Simmon etwa, sich mit ihren plumpen Balzereien lächerlich machten. Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als Denna unerwünschte Avancen zu machen und dann von ihr wegen der Plumpheit meiner Annäherungsversuche ausgelacht zu werden. Nichts ist mir mehr zuwider, als etwas zu verpatzen.
    So verabschiedete ich mich also von ihr und sah zu, wie sie den Gasthof Zur Eiche durch den Seiteneingang betrat. Ich atmete tief durch und musste mich sehr zusammenreißen, um nicht laut loszulachen oder auf der Stelle zu tanzen. Ich war vollkommen erfüllt von ihr – vom Duft des Windes, der durch ihr Haar gestrichen war, vom Klang ihrer Stimme, von der Art, wie der Mondschein Schatten über ihr Gesicht geworfen hatte.
    Dann, ganz langsam, kam ich wieder auf den Boden der Tatsachen. Ich war noch keine sechs Schritte gegangen, da sackte ich in mir zusammen wie ein Segel bei plötzlicher Flaute. Während ich durch die Stadt nach Hause ging, vorbei an schlafenden Häusern und dunklen Tavernen, schwenkte meine Stimmung binnen drei Atemzügen von freudiger Erregung in nagende Zweifel um.
    Ich hatte alles verdorben. Alles, was ich gesagt hatte und was mir im Moment so klug erschienen war, war in Wirklichkeit das Schlimmste, was ein Verrückter nur sagen konnte. Selbst jetzt noch war sie dort wohl auf ihrem Zimmer erleichtert, weil sie mich endlich los war.
    Aber sie hatte gelächelt. Hatte gelacht.
    Sie hatte sich nicht an unsere erste Begegnung auf der Straße nach Tarbean erinnert. Ich hatte offenbar keinen großen Eindruck bei ihr hinterlassen.
    Klau mich , hatte sie gesagt.
    Ich hätte mutiger sein und sie zum Abschied küssen sollen. Achtsamer hätte ich sein sollen. Ich hatte viel zu viel geredet. Und ich hatte viel zu wenig gesagt.

Kapitel 63
    Spaziergang

    W ilem und Simmon hatten schon mit dem Mittagessen begonnen, als ich zu unserem Stammplatz auf dem Hof kam. »Entschuldigt bitte«, sagte ich und legte meinen Lautenkasten auf das Kopfsteinpflaster neben der Bank. »Ich bin aufgehalten worden.«
    Ich war in Imre gewesen und hatte eine Drachme Quecksilber und einen Beutel Meersalz gekauft. Letzteres war sehr teuer gewesen, aber dieses eine Mal machte ich mir keine Gedanken deswegen. Wenn das Glück mir hold war, würde ich bald im Handwerkszentrum aufsteigen, und dann gehörten meine Geldsorgen der Vergangenheit an.
    Während des Einkaufs war ich auch rein zufällig an dem Gasthof vorbeigekommen, in dem Denna wohnte, aber sie war weder dort noch im Eolian noch in dem Park gewesen, in dem wir uns in der vergangenen Nacht unterhalten hatten. Dennoch war ich bester Stimmung.
    Ich klappte meinen Lautenkasten auf, dass der Sonnenschein die neuen Saiten wärmen und ihnen beim Strecken helfen konnte. Dann ließ ich mich neben meinen beiden Freunden auf der Steinbank unter dem Fahnenmast nieder.
    »Wo warst du denn gestern Abend?«, fragte Simmon etwas zu beiläufig.
    Erst da fiel mir wieder ein, dass wir drei eigentlich für den gestrigen Abend verabredet gewesen waren, uns mit Fenton zu treffen und Corners zu spielen. Beim Anblick von Denna hatte ich das vollkommen vergessen. »Oh Gott, das tut mir Leid, Sim. Wie lange habt Ihr denn auf mich gewartet?«
    Er antwortete nicht, sondern sah mich nur an.
    »Es tut mir Leid«, sagte ich noch einmal und hoffte, dass man mir mein schlechtes Gewissen ansah. »Ich hab’s verschwitzt.«
    Sim grinste und tat es mit einem Achselzucken ab. »Macht doch nichts. Als uns klar wurde, dass du nicht mehr kommst, sind wir ins Library, haben Bier getrunken und uns die Mädels

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