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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Weißt du, wie viele Sympathielampen mir im Laufe der Jahre schon in den Händen explodiert sind, E’lir Kvothe?«
    Ich schluckte und schüttelte den Kopf. »Nein. Wie viele?«
    »Keine einzige«, sagte er mit ernster Stimme. »Ich bin nämlich immer vorsichtig. Ich weiß immer ganz genau, was ich da in der Hand halte. Du musst lernen, Geduld zu haben, E’lir Kvothe. Ein Moment Nachdenken ist so viel wert wie neun Momente Brennen.«
    Ich senkte den Blick und gab mir Mühe, angemessen getadelt dreinzuschauen.
    Kilvin löschte auch die letzte Lampe, und im Raum war es nun fast vollkommen dunkel. Nach einer kurzen Pause begann von der Handlampe das charakteristische rötliche Licht auszugehen und warf seinen Schein an eine Wand. Das Licht war sehr schwach, schwächer als das einer einzelnen Kerze.
    »Der Schalter hat mehrere Stufen«, erläuterte ich schnell. »Es ist eigentlich eher ein Rheostat als ein Schalter.«
    Kilvin nickte. »Das ist gut gemacht. Nur die Wenigsten würden bei einer so kleinen Lampe etwas derartiges einbauen.« Das Licht wurde heller, dann wieder schwächer, dann wieder heller. »Auch die Sygaldrie macht einen sehr guten Eindruck«, sagte Kilvin und stellte die Lampe wieder vorsichtig auf der Werkbank ab. »Aber die Linse ist schlecht geschliffen. Das Licht wird kaum gestreut.«
    Das stimmte. Statt den ganzen Raum zu erleuchten, wie bei einer solchen Lampe sonst üblich, beleuchtete meine Lampe nur einen kleinen Ausschnitt: eine Ecke der Werkbank und eine Hälfte der schwarzen Tafel, die dahinter an der Wand stand. Der restliche Raum blieb dunkel.
    »Das ist Absicht«, sagte ich. »Es gibt solche Laternen – sie werden Blendlaternen genannt.«
    Kilvin war nur noch eine dunkle Gestalt auf der anderen Seite des Tisches. »Das ist mir bekannt, E’lir Kvothe«, sagte er in leicht tadelndem Ton. »Diese Laternen werden hauptsächlich für zwielichtige Dinge genutzt. Dinge, mit denen ein Arkanist nichts zu tun haben sollte.«
    »Ich dachte, Seeleute nutzen solche Laternen«, sagte ich.
    »Einbrecher nutzen sie«, erwiderte Kilvin. »Und Spione, Leute, die im Dunkeln nicht erwischt werden wollen.«
    Ich fühlte mich immer unwohler. Ich hatte dieses Gespräch für eine Formalität gehalten. Schließlich wusste ich, dass ich ein fähiger Handwerker war, besser als viele, die viel länger in Kilvins Werkstatt gearbeitet hatten. Doch nun machte ich mir plötzlich Sorgen, dass ich womöglich einen Fehler begangen und fast dreißig Stunden Arbeit an dieser Lampe vergeudet hatte, ganz zu schweigen von über einem Talent meines eigenen Geldes, das ich für das Material ausgegeben hatte.
    Kilvin murmelte etwas, und die sechs Öllampen entflammten sich wieder und erfüllten den Raum erneut mit Licht. Ich staunte, wie der Meister so beiläufig eine sechsfache Bindung hinbekam. Und es war für mich ein Rätsel, woher er die Energie dafür genommen hatte.
    »Es ist nur, dass eben jeder als erstes Projekt eine Sympathielampe baut«, sagte ich, um die Stille zu überbrücken. »Und jeder folgt dabei dem gleichen alten Schema. Ich wollte etwas anderes machen. Ich wollte sehen, ob ich etwas Neues hinbekomme.«
    »Ich glaube, du wolltest unter Beweis stellen, wie überaus klug du bist«, erwiderte Kilvin sachlich-nüchtern. »Du wolltest nicht nur deine Lehre in der Hälfte der üblichen Zeit abschließen, sondern mir auch eine Lampe von einer neuen, verbesserten Bauart präsentieren. Lass uns offen miteinander reden, E’lir Kvothe. Durch diese Lampe wolltest du beweisen, dass du besser bist als der durchschnittliche Lehrling, nicht wahr?« Als er das sagte, sah Kilvin mir direkt in die Augen, und für einen Moment war seine sonst übliche Zerstreutheit wie weggeblasen.
    Ich bekam einen trockenen Mund. Dieser Mann hatte einen Geist wie ein Diamant. Wie war ich bloß auf die Idee verfallen, ich könnte ihm etwas vormachen?
    »Natürlich wollte ich Euch beeindrucken, Meister Kilvin«, sagte ich und sah zu Boden. »Das versteht sich doch von selbst.«
    »Kein Katzbuckeln«, sagte er. »Falsche Bescheidenheit beeindruckt mich nicht.«
    Ich hob den Blick und setzte mich aufrecht hin. »Wenn das so ist, Meister Kilvin: Ja, ich bin besser. Ich lerne schneller. Ich arbeite härter. Meine Hände sind geschickter. Mein Geist ist wissbegieriger. Ich bin jedoch davon ausgegangen, dass Ihr das ohnehin wisst und dass ich es Euch nicht sagen muss.«
    Kilvin nickte. »So ist es schon besser. Und du hast recht. Ich weiß das.«

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