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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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mich noch bis zum heutigen Tag daran.
    Das Geräusch, das ich auf dem Hügel in der Nähe von Trebon hörte, war kein Löwengebrüll, es hallte mir aber ebenfalls in der Brust wider. Es war ein Grunzen, noch tiefer als Löwengebrüll, und es klang eher nach fernem Donnergrollen.
    Ein weiterer Ast wurde abgerissen, jetzt schon in der Nähe der Hügelkuppe. Ich schaute in diese Richtung und erblickte eine riesenhafte Gestalt, die schummrig von unserem Feuerschein erhellt war. Ich spürte, wie der Boden unter meinen Füßen bebte. Denna sah mich in panischer Angst an.
    Ich ergriff ihren Arm und lief mit ihr zur anderen Seite des Hügels. Erst folgte sie mir, aber als sie sah, worauf ich zusteuerte, blieb sie abrupt stehen. »Mach keine Dummheiten«, keuchte sie. »Wir brechen uns das Genick, wenn wir in der Dunkelheit da runterlaufen.« Sie schaute sich verzweifelt um, und ihr Blick fiel schließlich auf die Grausteine. »Hilf mir da rauf, dann zieh ich dich hoch.«
    Ich stellte mich mit dem Rücken an den Stein und machte mit den Händen eine Räuberleiter. Sie setzte einen Fuß auf meine Handflächen, und ich wuchtete sie so kräftig hoch, dass sie fast in die Luft flog. Sie erwischte die Oberkante des Steins und schwang ein Beinhinauf. Ich wartete noch einen Moment, schulterte dann meinen Reisesack und versuchte an dem Stein hinaufzuklettern.
    Doch der Stein war von Wind und Wetter glatt geschliffen und bot keinen Halt. Wohin ich auch griff, ich rutschte ab. Ich lief zur anderen Seite des Torbogens, sprang auf einen der liegenden Steine und von dort aus weiter nach oben.
    Mit dem Oberkörper prallte ich an den Graustein, es presste mir die Luft aus der Lunge, und ich schlug mir dabei die Knie an. An der Oberkante des Bogens fanden meine Finger auch keinen rechten Halt.
    Und dann war Denna da. Wenn das hier eine Heldenballade wäre, würde ich euch jetzt erzählen, dass sie meine Hand ergriff und mich in Sicherheit zog. Doch in Wirklichkeit krallte sie mit einer Hand mein Hemd und packte mich mit der anderen bei meinen Haaren. Dann hielt sie mich so lange fest, bis ich Halt fand und zu ihr auf die Oberseite des Steins krauchen konnte.
    Dort lagen wir nun keuchend und spähten über die Steinkante hinunter. Drunten auf der Hügelkuppe näherte sich die dunkle Gestalt dem Lichtschein unseres Lagerfeuers. Halb in der Dunkelheit verborgen, sah sie größer aus als jedes Tier, das ich je zuvor gesehen hatte, so groß wie ein hoch beladener Wagen. Das Ungetüm war schwarz und hatte einen massigen Körper, wie ein Stier. Als es näherkam, bewegte es sich mit einem seltsamen Schlurfen, ganz anders als ein Stier oder Pferd. Der Wind fachte das Feuer an, und im Aufleuchten sah ich, dass es den dicken Leib sehr tief trug und die Beine seitlich abgingen, wie bei einer Eidechse.
    Als es näher in den Lichtschein kam, gab es keinen Zweifel mehr: Es war eine riesige Echse. Dabei war das Ungetüm nicht schlangenförmig, sondern eher von gedrungener Gestalt, und der dicke Hals ging direkt in den keilförmigen Kopf über.
    Es legte die Hälfte der Entfernung von dem Hügelkamm bis zu unserem Lagerfeuer mit einem einzigen energischen Satz zurück und grunzte noch einmal ein Donnergrollen, das mir in der Brust widerhallte. Dann lief es an dem im Gras liegenden Graustein vorbei, und da wurde mir klar, dass mich meine Augen nicht getrogen hatten. Dieses Wesen war größer als der Graustein. Es hatte eine Schulterhöhe von mindestens zwei Metern und war fünf Meter lang. Es war so groß wie ein Pferdefuhrwerk. Und so wuchtig wie ein Dutzend aneinander gebundene Stiere.
    Es bewegte den riesigen Kopf hin und her und öffnete und schloss das breite Maul.
    Dann schoss plötzlich ein blauer Flammenstoß auf, blendend hell. Denna schrie auf. Als ich den Kopf einzog, spürte ich die Hitzewelle über uns hinwegbranden.
    Ich rieb mir die Augen, schaute wieder hinunter und sah, dass sich das Untier unserem Lagerfeuer näherte. Es war schwarz, geschuppt und massig. Donnernd grunzte es noch einmal, nickte dann mit dem Kopf und spie einen blauen Flammenstoß.
    Es war ein Drache.

Kapitel 75
    Zwischenspiel: Gehorsam

    I m Wirtshaus zum Wegstein hielt Kvothe erwartungsvoll inne, bis der Chronist von seinem Blatt aufblickte.
    »Ihr habt die Gelegenheit, etwas zu sagen«, bemerkte Kvothe. »Etwas à la: ›Das kann doch nicht sein!‹ oder ›Es gibt doch gar keine Drachen!‹«
    Der Chronist wischte seine Federspitze sauber. »Es steht mir nicht zu, diese

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