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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Geschichte zu kommentieren«, sagte er ganz ruhig. »Wenn Ihr sagt, dass Ihr einen Drachen gesehen habt …« Er zuckte die Achseln.
    Kvothe blickte ihn schwer enttäuscht an. »Und das von dem Verfasser des Werks Das Paarungsverhalten des Gemeinen Draccus ? Das von Devan Lochees, dem großen Aufklärer?«
    »Das von Devan Lochees, der eingewilligt hat, Euch nicht zu unterbrechen und an der Geschichte, die er aufzeichnet, kein Wort zu ändern.« Der Chronist legte die Feder nieder und massierte sich die Schreibhand. »Weil das die einzigen Bedingungen waren, unter denen er Zugang zu einer Geschichte erlangen konnte, die er unbedingt hören wollte.«
    Kvothe sah ihn fest an. »Habt Ihr schon einmal von dem Begriff des Befehlsnotstands gehört?«
    »Ja, das habe ich«, sagte der Chronist mit unsicherem Lächeln.
    »Ich könnte das sagen, Reshi«, meldete sich Bast munter zu Wort. »Ich habe in gar nichts eingewilligt.«
    Kvothe sah zwischen den beiden hin und her und seufzte. »Es gibt nur wenig, was so widerlich ist wie absoluter Gehorsam«, sagte er. »Ihr beide tätet gut daran, euch dessen bewusst zu sein.« Er hieß denChronisten mit einer Geste, wieder zu Feder zu greifen. »Also gut … Es war ein Drache.«

Kapitel 76
    Das Paarungsverhalten
des Gemeinen Draccus

    E s ist ein Drache«, flüsterte Denna. »Tehlu steh uns bei. Es ist ein Drache.«
    »Das ist kein Drache«, sagte ich. »Es gibt keine Drachen.«
    »Schau ihn dir doch an!«, zischte sie. »Schau dir den riesengroßen Drachen doch an!«
    »Das ist ein Draccus«, erwiderte ich.
    »Er ist unglaublich groß«, sagte Denna mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. »Es ist ein unglaublich großer Drache, und gleich kommt er her und frisst uns auf.«
    »Er ist kein Fleischfresser. Er frisst nur Pflanzen. Wie eine große Kuh.«
    Denna sah mich an und brach in Gelächter aus. Es war kein hysterisches Gelächter, sondern eher das hilflose Lachen eines Menschen, der gerade etwas so Lustiges gehört hat, dass er nicht anders kann als laut loszuprusten. Sie hielt sich mit beiden Händen den Mund zu und bebte am ganzen Leib, und nur das leise Schnaufen, das zwischen ihren Fingern hindurchdrang, war zu hören.
    Von unten kam ein weiterer blauer Flammenstoß. Denna erstarrte und nahm die Hände vom Mund. Sie sah mich mit großen Augen an, und sagte leise und mit leicht zitternder Stimme: »Muuuh!«
    Wir waren beide so schnell aus Sterbensangst in ein Gefühl der Sicherheit gewechselt, dass wir ohnehin kurz davor waren, aus schierer Erleichterung loszulachen. Als sie sich also erneut vor Lachen krümmte, die Hände vor dem Mund, brach auch ich in Gelächter aus und mühte mich dabei verzweifelt, keinen Laut von mir zu geben. Wir lagen da wie zwei kichernde Kinder, und drunten grunzte undschnaubte dieses Riesenvieh um unser Feuer herum und spie hin und wieder selber Flammen.
    Nach einigen Minuten hatten wir unsere Fassung wiedergefunden. Denna wischte sich die Tränen aus den Augen und atmete tief durch. Sie rutschte zu mir herüber, bis ihre linke Seite meine rechte berührte. »Hör mal«, sagte sie leise, während wir beide über die Steinkante hinwegspähten. »Dieses Vieh grast doch nicht. Es ist doch viel zu groß. Es könnte doch nie genug Nahrung aufnehmen. Und schau dir mal das Maul an. Und diese Zähne.«
    »Genau. Sie sind flach, nicht spitz. Er frisst Bäume. Ganze Bäume. Sieh doch nur, wie groß er ist. Wo sollte er denn genug Fleisch herbekommen? Da müsste er ja jeden Tag zehn Hirsche fressen. Als Fleischfresser könnte er unmöglich überleben.«
    Sie sah mich an. »Woher weißt du das alles, verdammt noch mal?«
    »Das habe ich an der Universität gelesen«, sagte ich. »Es steht in dem Buch Das Paarungsverhalten des Gemeinen Draccus . Er nutzt das Feuer als Lockmittel bei der Balz, wie die Vögel ihr Gefieder.«
    »Du willst damit sagen, dieses Ding da unten –«, sie suchte nach einem Wort, »– wird jetzt gleich unser Lagerfeuer bespringen?« Einen Moment lang guckte sie, als würde sie wieder in Gelächter ausbrechen, doch dann atmete sie tief durch und behielt die Fassung. »Also das muss ich sehen …«
    Der Stein unter uns bebte, und dann wurde es dunkler. Als wir hinabschauten, sahen wir, dass sich der Draccus in dem Feuer wälzte wie ein Schwein im Schlamm. Der Boden bebte, während er sich suhlte und das Feuer unter sich erstickte.
    »Er wiegt doch mindestens …« Denna wusste nicht weiter.
    »Fünf Tonnen«, schätzte ich.

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