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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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weißt doch«, erwiderte ich. »Kurz nach dem Aufwachen ist man immer am steifsten.«
    Sie grinste. »Für uns Frauen gilt das eher nicht.« Dann wurde sie wieder ernst. »Es ist schlimm, oder?«
    »Ich bin gestern sechzig Meilen geritten, bevor ich dich traf«, sagte ich. »Und ich bin so etwas nicht gewöhnt, und als ich heute Nacht hier hochgesprungen bin, hab ich mir ganz schön wehgetan.«
    »Bist du verletzt?«
    »Ja, an jedem einzelnen Millimeter meines Körpers.«
    »Oh«, stieß sie hervor und hielt sich die Hände vor den Mund. »Deine schönen Hände!«
    Ich sah hinunter und verstand, was sie meinte. Ich hatte mir die Hände bei dem nächtlichen Versuch, den Graustein zu erklimmen,völlig zerschunden. Meine Lautenistenschwielen hatten die Fingerspitzen vor dem Schlimmsten bewahrt, aber die Fingerknöchel waren aufgeschürft und blutverkrustet. Nur weil mir andere Körperpartien noch mehr weh taten, hatte ich das gar nicht bemerkt.
    Beim Anblick meiner Hände krampfte sich mir der Magen zusammen, doch als ich sie öffnete und wieder schloss, sah ich, dass sie nur aufgeschürft und nicht ernsthaft verletzt waren. Als Musiker machte ich mir immer Sorgen, dass meinen Händen etwas zustoßen könnte, und meine Arbeit im Handwerkszentrum hatte diese Sorge noch verstärkt. »Es sieht schlimmer aus, als es ist«, sagte ich. »Wie lange ist der Draccus denn schon fort?«
    »Seit ein paar Stunden. Er ist kurz nach Sonnenaufgang verschwunden.«
    Ich sah von dem Torbogen aus Grausteinen hinunter. Am Abend zuvor war die Hügelkuppe noch eine grüne Wiese gewesen. Jetzt am Morgen aber sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Das Gras war an einigen Stellen zermalmt, an anderen niedergebrannt. Wo sich die Echse gewälzt hatte, zogen sich tiefe Furchen durch den Boden.
    Der Abstieg von dem Graustein erwies sich als schwieriger als der Aufstieg. Der Torbogen war gut vier Meter hoch. Normalerweise wäre ich einfach hinuntergesprungen, aber steif und voller Prellungen, wie ich war, fürchtete ich, ungeschickt aufzukommen und mir einen Fußknöchel zu verstauchen.
    Wir schafften es schließlich, indem wir den Tragegurt meines Reisesacks als Seil nutzten. Denna hielt oben das eine Ende fest, und ich ließ mich an dem anderen hinab. Dabei riss der Sack natürlich auf, und meine ganzen Habseligkeiten fielen heraus, aber ich schaffte es und holte mir dabei nur einen harmlosen grünen Grasfleck.
    Dann hängte sich Denna an die Oberkante des Steins, und ich packte ihre Beine und ließ sie langsam herab. Obwohl mein ganzer Oberkörper von Prellungen überzogen war, trug das doch sehr dazu bei, meine Laune zu heben.
    Ich sammelte meine Siebensachen ein, setzte mich dann mit Nadel und Faden hin und flickte meinen Reisesack. Denna verschwand kurz mal im Wald, und als sie wiederkam, hob sie die Decke auf, diewir in der Nacht zurückgelassen hatten und auf der sich die Klauen des Draccus verewigt hatten.
    »Hast du so etwas schon mal gesehen?«, fragte ich und streckte ihr meine Hand entgegen.
    Sie hob eine Augenbraue. »Wie oft habe ich diese Frage jetzt schon gehört?« Grinsend reichte ich ihr den schwarzen Eisenklumpen, den mir der Kessler gegeben hatte. Sie betrachtete ihn neugierig. »Ist das ein Lodenstein?«
    »Es wundert mich, dass du das erkennst.«
    »Ich kannte mal einen Mann, der hat so einen als Briefbeschwerer benutzt.« Sie seufzte abschätzig. »Absichtlich. Obwohl diese Steine ja so wertvoll und selten sind.« Sie rümpfte verächtlich die Nase. »Er war ein Trottel. Hast du irgendetwas aus Eisen?«
    »Schau mal da.« Ich zeigte auf den kleinen Haufen meiner Habseligkeiten. »Da ist bestimmt irgendwas dabei.«
    Denna setzte sich auf einen der liegenden Grausteine und spielte mit dem Lodenstein und einem Teil einer zerbrochenen eisernen Gürtelschnalle, während ich meinen Reisesack flickte und den Tragegurt wieder annähte.
    Sie war ganz gebannt von seiner Kraft. »Wie funktioniert das?«, fragte sie, zog das Schnallenteil ab und ließ es wieder an den Stein sausen. »Woher kommt diese Anziehungskraft?«
    »Das ist etwas Galvanisches«, sagte ich und zögerte. »Ehrlich gesagt: Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    »Ich frage mich, ob es nur Eisen anzieht, weil es selbst aus Eisen besteht«, sagte sie nachdenklich und hielt einen Silberring daran, ohne dass irgendetwas geschah. »Wenn man einen Lodenstein aus Messing finden würde, würde der dann auch nur Messing anziehen?«
    »Wahrscheinlich auch Kupfer und Zink«,

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