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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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sagte ich. »Daraus besteht Messing nämlich.« Ich stülpte den Reisesack wieder um und fing an, meine Sachen einzupacken. Denna gab mir den Lodenstein zurück und ging zu unserer Feuerstelle; dem, was davon übrig geblieben war.
    »Er hat das ganze Holz aufgefressen, bevor er gegangen ist.«
    Ich ging ebenfalls hin und sah es mir an. Der Erdboden rings umdie Feuerstelle war völlig aufgewühlt. Es sah aus, als wäre eine ganze Kavalleriedivision durchgeritten. Ich stupste ein herausgerissenes Stück der Grasnarbe mit der Stiefelspitze an und bückte mich, um etwas aufzuheben. »Schau mal.«
    Denna kam näher, und ich zeigte es ihr. Es war eine Schuppe des Draccus. Sie war schwarz und glatt, etwa so groß wie meine Handfläche, und hatte eine tränenförmige Gestalt. In der Mitte war sie etwa einen halben Zentimeter dick und wurde zu den Rändern hin dünner.
    Ich hielt sie Denna hin. »Für Euch, Mylady. Als Andenken.«
    Sie nahm sie in die Hand. »Ganz schön schwer«, sagte sie. »Ich suche auch eine für dich …« Sie stocherte in den Überresten der Feuerstelle herum. »Ich glaube, er hat auch einige Steine gefressen. Ich weiß ganz genau, dass ich gestern mehr Steine gesammelt habe, als hier jetzt noch liegen.«
    »Echsen essen Steine, das ist ganz normal«, sagte ich. »Sie brauchen das für ihre Verdauung. Die Steine zerkleinern die Nahrung in ihren Eingeweiden.« Denna sah mich skeptisch an. »Das ist wahr, Hühner machen das übrigens auch.«
    Sie schüttelte den Kopf und stocherte weiter in dem aufgewühlten Erdreich herum. »Erst habe ich noch gehofft, du würdest über dieses Abenteuer ein Lied schreiben. Aber je mehr du darüber redest, desto reizloser erscheint mir die Idee: Kühe und Hühner. Wo bleibt denn da dein Gespür für das Dramatische?«
    »Man muss hier nichts dramatisieren«, sagte ich. »Diese Schuppe besteht wahrscheinlich zum größten Teil aus Eisen. Wie soll ich das noch dramatischer darstellen, als es ohnehin schon ist?«
    Sie hob die Schuppe empor und betrachtete sie aufmerksam. »Das ist nicht dein Ernst.«
    Ich grinste. »Das Gestein hier in der Gegend ist sehr eisenhaltig. Der Draccus schluckt kleinere Steine, die dann in seinem Kaumagen zermahlen werden. So geht das Metall allmählich in die Knochen und Schuppen über.« Ich nahm die Schuppe und ging damit zu einem der Grausteine. »Er häutet sich Jahr um Jahr und frisst anschließend die abgelegte Haut. So bleibt das Eisen im Stoffwechsel erhalten. Und nach zweihundert Jahren …« Ich klopfte mit der Schuppe an denStein. Es klang ein wenig wie eine Glocke und ein wenig wie ein glasiertes Stück Keramik.
    Ich gab ihr die Schuppe zurück. »Als es noch keinen Bergbau im heutigen Sinne gab, haben die Menschen sie wahrscheinlich wegen ihres Eisens gejagt. Und auch heute noch würde ein Alchemist für so eine Schuppe oder einen Knochen bestimmt ein hübsches Sümmchen hinlegen. Denn organisches Eisen ist eine unglaubliche Rarität. Ein Alchemist könnte wahrscheinlich alles Mögliche damit anstellen.«
    Denna betrachtete die Schuppe in ihrer Hand. »Also gut, du hast mich überzeugt. Du darfst das Lied schreiben.« Dann hatte sie eine Idee. »Gib mal den Lodenstein.«
    Ich nahm ihn aus meinem Reisesack und gab ihn ihr. Sie hielt die Schuppe daran, und die beiden klackten aneinander. Denna musste lachen, ging zur Feuerstelle und suchte dort mit Hilfe des Lodensteins nach weiteren Schuppen.
    Ich sah zu den Gebirgszügen im Norden hinüber. »Ich bringe ja nur ungern schlechte Neuigkeiten«, sagte ich und deutete auf eine Stelle, an der aus dem Wald Rauch aufstieg. »Aber irgendetwas kohlt da vor sich hin. Die Markierungsstöcke, die ich gestern eingerammt hatte, sind nicht mehr da, aber ich glaube, es ist die Richtung, aus der wir heute Nacht zum ersten Mal das blaue Leuchten gesehen haben.«
    Denna fuhr immer noch mit dem Lodenstein über die Überreste der Feuerstelle. »Mit dem, was auf der Mauthen-Farm geschehen ist, kann der Draccus nichts zu tun haben.« Sie zeigte auf das aufgewühlte Erdreich. »Von solchen Verwüstungen war da nichts zu sehen.«
    »Ich denke dabei gar nicht an die Farm«, sagte ich. »Ich denke eher daran, dass ein gewisser Schirmherr in spe möglicherweise heute Nacht im Freien schlafen musste und sich dazu ein munteres kleines Lagerfeuer gemacht hat.«
    Denna sah mich entsetzt an. »Und der Draccus hat es gesehen.«
    »Ich würde mir keine Sorgen machen«, fügte ich schnell hinzu. »Wenn er wirklich

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