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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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zu sehen.«
    Denna machte einen erschrockenen Laut. Ich folgte ihrem Blick und sah unter einigen schweren Holzklötzen einen menschlichen Arm hervorragen.
    Als ich näher heranging, schwirrten Fliegen auf, und ich hielt mir, um den Gestank abzuwehren, eine Hand vor den Mund. »Der ist schon seit etwa zwei Spannen tot.« Ich bückte mich und hob einen Gegenstand aus zerschmettertem Holz und Metall auf. »Schau dir das an.«
    »Aber nur, wenn du es herbringst.«
    Ich brachte es ihr. Es war kaum noch zu erkennen. »Eine Armbrust.«
    »Die hat ihm aber nicht viel genützt.«
    »Die Frage ist doch, warum er überhaupt eine hatte.« Ich betrachtete den massiven Bogen aus blauem Stahl. »Sie ist nicht für die Jagd gemacht. Sie ist dafür gebaut, auf einem Schlachtfeld gepanzerte Männer zu erschießen. Der Besitz solcher Waffen ist verboten.«
    Denna schnaubte. »An diese Gesetze hält sich hier draußen doch kein Mensch. Das weißt du auch.«
    Ich zuckte die Achseln. »Trotzdem – es ist ein sehr teures Gerät. Wieso besitzt jemand, der in einer kleinen Blockhütte mit gestampftem Lehmboden wohnt, eine Armbrust für zehn Talente?«
    »Vielleicht wusste er von dem Draccus«, sagte Denna und sah sich ängstlich um. »Ich hätte jetzt gegen eine Armbrust auch nichts einzuwenden.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ein Draccus ist ein scheues Tiere. Er hält sich von Menschen fern.«
    Denna wies mit sarkastischer Miene auf die Trümmer der Hütte.
    »Denk doch mal an all die wilden Tiere, die im Wald leben«, sagte ich. »Sie alle meiden den Menschen. Du sagst ja selbst, du hättest noch nie von dem Draccus gehört. Das kommt doch nicht von ungefähr.«
    »Vielleicht hat er Tollwut.«
    Das machte mich nachdenklich. »Ein beängstigender Gedanke.« Ich sah mich um. »Aber wie um alles in der Welt sollte man das feststellen? Kann so eine Echse überhaupt Tollwut bekommen?«
    Denna trat beklommen von einem Fuß auf den anderen. »Willst du dir hier noch irgendwas ansehen? Ich nämlich nicht. Ich will nicht mehr hier sein, wenn dieses Untier wiederkommt.«
    »Ich überlege, ob wir diesen Mann begraben sollten.«
    Denna schüttelte den Kopf. »So lange bleibe ich nicht hier. Wir können in der Stadt Bescheid sagen, dann kümmern die sich darum. Der Draccus kann jederzeit wiederkommen.«
    »Aber warum?«, fragte ich. »Warum kommt er immer wieder hierher?« Ich zeigte auf ein paar Bäume. »Der da ist schon seit einer Spanne hinüber. Dieser hier aber wurde erst vor ein paar Tagen ausgerissen.«
    »Was kümmert dich das?«, fragte Denna.
    »Die Chandrian«, antwortete ich. »Ich will wissen, warum sie hier waren. Beherrschen sie den Draccus?«
    »Ich glaube nicht, dass sie hier waren«, sagte Denna. »Sie waren vielleicht auf der Mauthen-Farm. Aber das hier ist das Werk einer tollwütigen Kuhechse.« Sie sah mich einen Moment lang forschend an. »Ich weiß nicht, wonach du suchst. Aber ich glaube nicht, dass du es hier finden wirst.«
    Ich schüttelte den Kopf und sah mich weiter um. »Ich habe irgendwie das Gefühl, dass das hier etwas mit der Farm zu tun hat.«
    »Ich glaube eher, du willst , dass es etwas damit zu tun hat«, sagte sie. »Aber der Mann da ist schon vor einer ganzen Weile gestorben. Das sagst du ja selbst. Und erinnerst du dich an den Türrahmen und den Wasserbottich auf der Farm?« Sie bückte sich und klopfte mit dem Fingerknöchel an ein Trümmerteil der Blockhütte. Es klang alles andere als morsch. »Und schau dir die Armbrust an. Das Metall ist nicht verrostet. Das waren sie nicht.«
    Mir sank der Mut. Es war mir klar, dass sie recht hatte. Im Grunde meines Herzens wusste ich, dass ich mich an einen Strohhalm geklammert hatte. Dennoch erschien es mir falsch, aufzugeben, ohne alles versucht zu haben.
    Denna nahm meine Hand. »Komm. Gehn wir.« Sie lächelte und zog mich fort. Ihre Hand lag kühl und glatt in meiner. »Es gibt doch interessantere Dinge als …«
    Aus dem Wald ertönte ein lautes Krachen und Splittern. Denna ließ meine Hand los und wandte sich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Nein …«, sagte sie. »Nein, nein, nein …«
    Die plötzliche Bedrohung durch den Draccus riss mich aus meinen Gedanken. »Wir sind nicht in Gefahr«, sagte ich und sah mich um. »Er kann nicht klettern. Er ist zu schwer.«
    »Worauf sollte er denn auch klettern? Auf einen Baum? Die hat er doch alle schon umgerissen!«
    »Den Hang hinauf, meine ich.« Ich zeigte auf den Steilhang, der das kleine Tal auf

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