Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
so übervorsichtig ist, wie du sagst, ist er wahrscheinlich in Sicherheit.«
    »Vor diesem Vieh ist nichts und niemand sicher«, erwiderte sie mit grimmiger Miene und gab mir den Lodenstein zurück. »Komm, das müssen wir uns anschauen.«

    Es waren nur ein paar Meilen bis zu der Stelle im Wald, von der der Rauch aufstieg, aber wir kamen nur langsam voran. Wir waren beide erschöpft, hatten Schmerzen und hegten hinsichtlich dessen, was wir dort vorfinden würden, auch keine großen Hoffnungen
    Während der Wanderung teilten wir uns meinen letzten Apfel und die Hälfte meines restlichen Fladenbrots. Ich schnitt Birkenrindenstreifen ab, die wir kauten, und nach gut einer Stunde hatte sich meine Beinmuskulatur so weit gelockert, dass mir das Gehen kaum mehr Schmerzen bereitete.
    Je näher wir unserem Ziel kamen, desto langsamer ging es voran. Die sanften Hügel wichen mit Geröll bedeckten Hängen und steilen Felsvorsprüngen. Einige Male mussten wir weite Umwege machen, weil wir auf dem geraden Wege nicht mehr weiter kamen, und manchmal sogar umkehren und eine ganz neue Passage suchen.
    Hinzu kamen die Ablenkungen und Hindernisse. Wir stießen auf ein Gestrüpp voller reifer Aschbeeren, und das hielt uns fast eine Stunde lang auf. Anschließend kamen wir an einen Bach, tranken dort etwas und wuschen uns. Und auch hier wurden meine Hoffnungen auf eine märchenbuchhafte Tändelei enttäuscht – der Bach war nicht einmal knietief und als Badestelle denkbar ungeeignet.
    Erst am frühen Nachmittag kamen wir zu der Stelle, von der der Rauch aufstieg, und fanden dort etwas völlig anderes, als wir erwartet hatten.

    Es war ein abgelegenes Tal inmitten der Hänge. Oder besser gesagt: Es war eine riesige Felsterrasse. Auf der einen Seite ragte ein Steilhang aus dunklem Fels empor, und auf der anderen ging es ebensosteil bergab. Denna und ich mussten es zweimal versuchen, bis wir schließlich einen Zugang zu diesem Tal fanden.
    Zum Glück war es ein weitgehend windstiller Tag, so dass der Rauch ganz gerade in den klaren blauen Himmel stieg. Wenn er uns nicht Orientierung gegeben hätte, hätten wir die Stelle wahrscheinlich nie gefunden.
    Früher einmal musste es ein hübsches Fleckchen im Wald gewesen sein, nun aber sah es hier aus wie nach einem Wirbelsturm. Die Bäume waren abgebrochen, ausgerissen, verkohlt oder zersplittert, der felsige Boden war kreuz und quer von tiefen Furchen durchzogen, so als wäre ein Riesenbauer hier mit seinem Pflug Amok gelaufen.
    Noch zwei Tage zuvor hätte ich mich gefragt, wie es zu solchen Verwüstungen überhaupt kommen konnte. Doch nach der vergangenen Nacht …
    »Hast du nicht gesagt, sie wären harmlos?«, fragte Denna. »Hier hat er ja gewütet wie ein Berserker.«
    Wir bahnten uns einen Weg durch das Trümmerfeld. Der weiße Rauch kam aus einem tiefen Loch, das das Wurzelwerk eines ausgerissenen Ahornbaums hinterlassen hatte. Am Grund des Lochs glommen noch ein paar Kohlen vor sich hin.
    Ich trat mit der Stiefelspitze einige Erdklumpen in das Loch. »Die gute Nachricht: Dein Gönner ist nicht hier. Die schlechte …« Ich hielt inne und sog tief Luft ein. »Riechst du das?«
    Denna rümpfte die Nase und nickte.
    Ich stieg auf den umgestürzten Ahornstamm und sah mich um. Der Wind frischte etwas auf, und nun stank es noch stärker nach Verwesung.
    »Du hast doch gesagt, das sind keine Fleischfresser«, sagte Denna und sah sich nervös um.
    Ich sprang von dem Baumstamm und ging zu dem Steilhang. Dort lagen die Trümmer einer Blockhütte, aus der buchstäblich Kleinholz gemacht worden war, und hier war der Verwesungsgestank noch stärker.
    Denna sah sich nun das ganze Trümmerfeld an. »Das sieht mir aber alles andere als harmlos aus«, sagte sie.
    »Wir wissen nicht, ob der Draccus dafür verantwortlich ist«, erwiderte ich. »Wenn die Chandrian hier zugeschlagen haben, könnte es sein, dass der Draccus durch das Feuer angelockt wurde und dann beim Löschen diese Verwüstungen angerichtet hat.«
    »Du glaubst, die Chandrian stecken dahinter?«, fragte sie. »Das würde aber überhaupt nicht zu dem passen, was ich über sie gehört habe. Angeblich schlagen sie doch blitzschnell zu und verschwinden sofort wieder. Sie legen nicht mehrere Brände und kommen dann noch einmal wieder, um irgendetwas zu erledigen.«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber zwei zerstörte Häuser …« Ich sah mir die Trümmer im Einzelnen an. »Da scheint es mir doch vernünftig, einen Zusammenhang

Weitere Kostenlose Bücher