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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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der einen Seite begrenzte. »Komm!«
    Wir liefen zum Fuß des Hangs, stolperten durch die Erdfurchen und sprangen über umgestürzte Bäume. Hinter uns war das donnernde Grunzen zu hören. Ich sah mich kurz um, aber der Draccus war noch irgendwo im Wald.
    Am Fuß des Hangs angelangt, suchte ich nach einer Stelle, an der wir beide hinaufklettern konnten. Hinter einem dichten Sumachgestrüpp stießen wir schließlich auf eine Mulde, an der die Erde frisch aufgewühlt war.
    »Sieh mal da!« Denna deutete auf eine Lücke im Hang, eine tiefe Felsspalte, etwas über einen halben Meter breit. Sie war gerade breit genug, dass sich ein Mensch hindurchzwängen konnte, für die riesige Echse aber viel zu schmal. Am Hang ringsherum sah man tiefe Klauenspuren, und die aufgewühlte Erde war mit herausgebrochenen Felsbrocken übersät.
    Wir zwängten uns in diesen Spalt hinein. Drinnen war es dunkel, etwas Licht kam nur von dem schmalen Himmelsstreifen weit oben. An einigen Stellen musste ich mich seitwärts drehen, umweiter voran zu kommen. Als ich die Hände wieder von der Felswand nahm, waren sie rußgeschwärzt. Weil sich der Draccus nicht hineinzwängen konnte, hatte er offenbar Feuer in diesen Durchgang gespien.
    Nach vier oder fünf Metern wurde die Felsspalte breiter. »Da ist eine Leiter«, sagte Denna. »Wir müssen da rauf. Wenn das Ding hier Feuer reinspeit, kommt es über uns wie ein Regenguss in einem Gully.«
    Sie stieg hinauf, und ich folgte ihr. Die Leiter war grob gezimmert, aber stabil, und nach gut sieben Metern kamen wir auf ein kleines Plateau. Hier waren wir an drei Seiten von dunklen Felswänden umgeben, hatten aber freie Sicht auf die Ruine der Blockhütte und das verwüstete Waldstück. An einer der Felswände stand eine Holzkiste.
    »Siehst du ihn?«, fragte Denna und spähte hinab. »Sag bitte nicht, dass ich mir gerade für nichts und wieder nichts die Knie aufgescheuert habe.«
    Ich hörte einen dumpfen Knall, und dann fuhr mir ein heißer Luftzug den Rücken hinauf. Der Draccus grunzte und spie noch einen mächtigen Feuerstoß in die Felsspalte unter uns. Darauf folgte ein hektisches Scharren, das klang, wie wenn Nägel auf einer Schiefertafel kratzen.
    Denna sah mich an. »Harmlos?«
    »Er ist nicht hinter uns her«, sagte ich. »Du hast doch gesehen, dass er früher schon an dieser Stelle herumgescharrt hat.«
    Denna setzte sich auf den Felsboden. »Was ist das hier?«
    »Eine Art Ausguck. Von hier aus kann man das ganze Tal überblicken.«
    »Das sehe ich selber, dass das ein Ausguck ist«, sagte sie und seufzte. »Ich meine die ganze Anlage.«
    Ich öffnete die Holzkiste, die an der Felswand stand, und fand darin eine Wolldecke, einen gefüllten Wasserschlauch, etwas Trockenfleisch und ein Dutzend Armbrustbolzen mit sehr scharfer Spitze.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Vielleicht war der Mann auf der Flucht vor irgendwas.«
    Unten war es auf einmal still geworden. Wir spähten in das verwüstete Tal. Der Draccus hatte von der Felswand abgelassen undtrottete nun von dannen, und sein riesiger Leib hinterließ eine unregelmäßige Furche im Boden.
    »Er bewegt sich viel langsamer als heute Nacht«, sagte ich. »Vielleicht ist er tatsächlich krank.«
    »Vielleicht ist er aber auch bloß erschöpft, weil er den ganzen Tag nach uns gesucht hat, um uns zu fressen.« Sie sah zu mir hoch. »Bitte setz dich hin. Du machst mich nervös. Wir gehen jetzt erst mal nirgendwo hin.«
    Ich setzte mich, und wir sahen zu, wie der Draccus in die Mitte des Tals trottete. Dort riss er, anscheinend vollkommen mühelos, einen etwa zehn Meter hohen Baum um. Dann begann er zu fressen, das Laub zuerst. Anschließend zerkaute er die armdicken Zweige, mit der gleichen Leichtigkeit, mit der ein Schaf ein Maul voll Gras kaut. Als er den Baumstamm schließlich komplett kahl gefressen hatte, dachte ich, jetzt würde er aufhören. Doch er biss einfach mit seiner riesigen Schnauze am einen Ende hinein und riss ruckartig den dicken Hals herum. Der Stamm zersplitterte, und der Draccus schlang das herausgebissene Stück in einem Satz hinunter.
    Denna und ich nutzten die Gelegenheit dazu, selbst etwas zu Mittag zu essen. Wir hatten noch etwas Fladenbrot, ein Stück Wurst und meine restlichen Möhren. Den Proviant aus der Kiste rührte ich lieber nicht an, denn es bestand durchaus die Möglichkeit, dass der Mann, der hier gelebt hatte, nicht ganz bei Verstand gewesen war.
    »Ich kann es immer noch nicht fassen, dass niemand hier dieses

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