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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ja kein Obstgarten. Oder hast du etwa Obst gesehen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und diese Bäume sind die Einzigen, die der Draccus gefressen hat«, sagte sie. »Die anderen Bäume stößt er nur um, aber diese Bäumeda in der Mitte des Tals haut er um, um sie zu fressen. Was für einen Baum frisst er denn da gerade?«
    »Das kann ich von hier aus nicht erkennen«, sagte ich. »Ist das ein Ahorn? Vielleicht ist er eine Naschkatze.«
    Wir sahen noch eine Weile zu, und dann erhob sich Denna. »Naja. Hauptsache, er kommt nicht wieder angerannt und speit Feuer. Lass uns doch mal sehen, wohin diese Felsspalte auf der anderen Seite führt. Vielleicht finden wir dort einen Ausgang.«
    Wir stiegen die Leiter hinunter und tasteten uns am Grund der gewundenen Felsspalte weiter voran. Nach sieben, acht Metern kamen wir in eine kleine Schlucht, die ringsum von steilen Felswänden umgeben war.
    Diese Schlucht bot keinen Ausgang, diente offenbar aber einem bestimmten Zweck. Hier waren alle Pflanzen gerodet worden, so dass nur der nackte Erdboden übrigblieb. Über zwei lang gestreckten Feuerstellen waren auf Ziegelsockeln große Metallpfannen angebracht. Sie ähnelten den Wannen in einer Abdeckerei, in denen Talg geschmolzen wird, waren jedoch rechteckig und flach, wie große Kuchenformen.
    »Er ist tatsächlich eine Naschkatze!«, sagte Denna und lachte. »Der Mann hat hier Süßigkeiten aus Ahornsaft hergestellt. Oder Ahornsirup.«
    Ich sah es mir genauer an. Überall lagen Eimer herum, wie man sie zum Auffangen von Ahornsaft verwendet. Ich öffnete die Tür eines kleinen, baufälligen Schuppens. Dort lagen weitere Eimer und Holzschaufeln zum Umrühren des Safts und Schaber zum Ausschaben der Pfannen.
    Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Es gab in diesen Wäldern jede Menge Ahornbäume. Man musste sie nicht extra pflanzen. Und warum sollte man sich dazu auch einen so abgelegenen Ort aussuchen?
    Vielleicht war der Mann ja schlicht und einfach verrückt gewesen. Ich nahm einen Schaber und sah ihn mir an. Die Kante war schwarz, so als hätte man Teer damit abgeschabt …
    »Uuuh!«, sagte Denna hinter mir. »Das ist aber bitter. Ich glaube, das ist angebrannt.«
    Ich blickte mich um und sah Denna an einer der Feuerstellen stehen. Sie hatte sich aus einer der Pfannen einen klebrigen Klumpen genommen und davon abgebissen. Der Stoff war schwarz – nicht dunkel bernsteinfarben wie Ahornsirup.
    Mit einem Mal wurde mir klar, was das hier war. »Nicht!«
    Sie sah mich verdutzt an. »So schlecht ist es nun auch wieder nicht«, sagte sie, immer noch die klebrige Masse im Mund. »Es schmeckt zwar seltsam, aber nicht schlecht.«
    Ich lief zu ihr hin und schlug ihr das Zeug aus der Hand. »Spuck das aus! Sofort! Das ist giftig!«
    Sie sah mich entsetzt an, machte den Mund auf und ließ den dunklen Klumpen zu Boden fallen. Dann spie sie aus, und ihre Spucke war schwarz und dickflüssig. Ich drückte ihr meine Wasserflasche in die Hand. »Spül dir den Mund aus«, sagte ich. »Ausspülen und ausspucken.«
    Sie nahm die Flasche, und erst da merkte ich, dass sie leer war. Wir hatten das restliche Wasser zum Mittagessen getrunken.
    Ich lief los und zwängte mich durch den Felsspalt. Dann flitzte ich die Leiter hinauf, schnappte mir den Wasserschlauch und rannte damit zurück in die kleine Schlucht.
    Denna saß auf dem Boden. Sie war bleich und blickte ängstlich drein. Ich drückte ihr den Wasserschlauch in die Hände, und sie spülte sich hektisch den Mund aus und spuckte das Wasser wieder aus.
    Schnell griff ich in die Feuerstelle und zog unter der Asche eine Hand voll Kohlestücke hervor, schüttelte die Asche ab und hielt sie Denna hin. »Iss das«, sagte ich.
    Sie sah mich verständnislos an.
    »Los, mach schon! Wenn du das jetzt nicht kaust und runterschluckst, schlage ich dich bewusstlos und trichtere es dir ein!« Ich steckte mir selbst ein paar Kohlestücke in den Mund. »Siehst du? Kein Problem. Iss das jetzt«, mein Tonfall war nun eher flehentlich. »Denna, bitte vertrau mir.«
    Sie nahm einige Kohlestücke und steckte sie sich in den Mund. Kreidebleich und mit Tränen in den Augen zerkaute sie die Kohle, spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter und verzog das Gesicht.
    »Hier wird Ophalum geerntet, verdammt noch mal«, sagte ich. »Was bin ich für ein Idiot, dass mir das nicht eher aufgefallen ist.«
    Denna wollte etwas sagen, aber ich ließ sie nicht. »Nicht sprechen. Weiter essen. So viel, wie du nur

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