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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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erhoben, keuchte völlig erschöpft und blickte sich wild um. Als er wieder zu Atem kam, hörte man vom anderen Ende des Raums her, wo der alte Cob vor dem schwarzen Kamin kauerte, leises Beten.
    Einige Minuten später verstummten auch diese Gebete, und im Wirtshaus zum Wegstein kehrte wieder Stille ein.

    In den folgenden Stunden stand das Wirtshaus im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Der Schankraum war voller Leute und erfüllt von Geflüster, gemurmelten Fragen, gedämpften Schluchzern. Wer nicht ganz so neugierig war oder mehr Anstand besaß, blieb draußen, spähte durch die Fenster hinein und beriet sich über das, was man gehört hatte.
    Es gab noch keine zusammenhängende Geschichte, nur jede Menge Gerüchte. Der Tote war ein Straßenräuber, der das Wirtshaus überfallen wollte. Er war gekommen, um sich an dem Chronisten zu rächen, der in Abbott’s Ford seine Schwester entjungfert hatte. Er war ein Waldarbeiter, der tollwütig geworden war. Er war ein alter Bekannter des Wirts, der Schulden eintreiben wollte. Er war ein ehemaliger Soldat, der bei den Kämpfen gegen die Rebellen in Resavek wahnsinnig geworden war.
    Jake und Carter wiesen immer wieder auf das Lächeln des Mannes hin. Dennersucht war zwar eher ein großstädtisches Phänomen, die Leute hier hatten aber durchaus schon von Harzsüchtigen gehört. Dreifinger-Tom kannte sich mit diesen Dingen aus, denn er hatte vor fast dreißig Jahren im Heer des alten Königs gedient. Er erklärte, wenn man vier Gran Dennerharz einnehme, könne man sich den Fuß amputieren lassen, ohne dabei Schmerzen zu empfinden. Mit acht Gran intus würde man sich bereitwillig selber den Knochen durchsägen. Mit zwölf Gran würde man anschließend, lachend und ein fröhliches Liedchen singend, zu einem Dauerlauf aufbrechen.
    Sheps Leichnam wurde zugedeckt, und der Priester betete bei ihm. Anschließend schaute der Wachtmeister ihn sich an, doch er war damit vollkommen überfordert und schaute sich die Leiche eher aus Pflichtgefühl an, als dass er gewusst hätte, worauf er denn nun achten sollte.
    Nach einer Stunde hatte sich die Menge schon gelichtet. Sheps Brüder kamen mit einem Karren und brachten den Leichnam fort. Ihre grimmigen Blicke aus rot unterlaufenen Augen vertrieben die meisten der verbliebenen Schaulustigen.
    Es gab viel zu tun. Der Wachtmeister versuchte sich anhand von Zeugenaussagen ein Bild vom Ablauf der Ereignisse zu machen. Nach stundenlangen Spekulationen einigte man sich schließlich darauf,was geschehen war: Der Mann war ein Deserteur und Dennersüchtiger gewesen, und just als er in ihre kleine Ortschaft gekommen war, war er verrückt geworden.
    Alle waren sich einig, dass der Schmiedelehrling das Richtige getan hatte, ja, dass es eine Heldentat gewesen war. Dennoch verlangte das Eiserne Gesetz ein Gerichtsverfahren, das nächsten Monat stattfinden sollte, wenn der Gerichtshof auf seiner Rundreise durch diese Gegend kam.
    Der Wachtmeister ging heim zu seiner Frau und seinen Kindern. Der Priester ließ die sterblichen Überreste des Söldners zur Kirche bringen. Bast räumte die zertrümmerten Möbelstücke fort und warf sie in der Nähe der Küchentür auf einen Haufen, um sie später als Brennholz zu verwenden. Der Wirt wischte den Dielenboden des Schankraums sieben Mal, bis sich das Wasser in seinem Eimer nicht mehr rötlich färbte. Schließlich verschwanden auch die hartnäckigsten Schaulustigen, und es blieben nur die Fellingabend-Stammgäste zurück – bis auf einen.
    Jake, Cob und die anderen plauderten stockend über alles Mögliche, bloß nicht über das, was an diesem Abend geschehen war. Sie klammerten sich an den Trost, den die Gesellschaft der anderen spendete.
    Einen nach dem anderen trieb die Erschöpfung nach Hause. Schließlich blieb nur noch der Schmiedelehrling zurück. Er saß da und starrte in seine hohlen Hände. Die Eisenstange lag neben seinem Ellenbogen auf dem Tresen.
    Fast eine halbe Stunde verstrich, ohne dass jemand etwas sagte. Der Chronist saß ein Stück entfernt an einem Tisch und tat, als würde er seinen Eintopf aufessen. Kvothe und Bast liefen hin und her und gaben sich geschäftig. Eine vage Spannung baute sich im Raum auf, während sie einander Blicke zuwarfen und darauf warteten, dass der Junge endlich aufbrach.
    Schließlich ging der Wirt an den Tresen und trocknete sich die Hände mit einem frischen Leinentuch ab. »Also, Junge …«
    »Aaron«, unterbrach ihn der Schmiedelehrling, ohne von seinem

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