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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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hatte ich da meine Zweifel.
    »Vor langer Zeit wurde das Volk, das –«
    »Vor wie langer Zeit?«
    Ich runzelte in gespielter Strenge die Stirn. »Vor ungefähr zweitausend Jahren. Das Nomadenvolk, das in den Ausläufern des Shalda-Gebirges umherzog, wurde unter einem Häuptling vereint.«
    »Wie war sein Name?«
    »Heldred. Seine Söhne hießen Heldim und Heldar. Möchtest du, dass ich dir den gesamten Stammbaum aufzähle, oder soll ich lieber zum Punkt kommen?« Ich blickte ihn grimmig an.
    »Verzeihung, Sir.« Ben setzte sich kerzengerade hin und machte ein derart gespanntes Gesicht, dass wir beide uns das Grinsen nicht verkneifen konnten.
    Ich fuhr fort. »Heldred erlangte schließlich die Herrschaft über die Ausläufer des Shalda-Gebirges. Das bedeutete, dass er auch das ganze Gebirge selbst kontrollierte. Die Leute fingen an, Landwirtschaft zu betreiben, gaben ihre nomadische Lebensweise auf und begannen ganz allmählich –«
    »– zum Punkt zu kommen?«, fragte Abenthy. Er warf die Münzen vor mir auf den Tisch.
    Ich ignorierte ihn, so gut ich konnte. »Sie kontrollierten das einzige ergiebige und leicht zugängliche Metallvorkommen weit und breit und konnten diese Metalle bald auch sehr gut verarbeiten. Sie nutzten diesen Vorteil und wurden dabei sehr reich und mächtig.
    Damals war der Tauschhandel immer noch die vorherrschende Handelsform, und nur einige größere Städte prägten ihr eigenes Geld. Doch außerhalb dieser Städte war das Geld nur so viel wert wie das Metall, das es enthielt. Mit Metallbarren ließ sich gut Tauschhandel treiben, aber ganze Metallbarren waren umständlich zu transportieren.«
    Ben blickte wie ein gelangweilter Schüler. Die Wirkung dieses Blicks wurde nur dadurch leicht beeinträchtigt, dass er sich etwa zwei Tage zuvor wieder mal die Augenbrauen abgesengt hatte. »Du wirst doch jetzt nicht auf die Vorzüge repräsentativer Zahlungsmittel zu sprechen kommen, oder?«
    Ich atmete tief durch und nahm mir vor, Ben künftig, wenn er mir Vorträge hielt, nicht mehr so zu plagen. »Die ehemaligen Nomaden, die sich nun Kealden nannten, waren die ersten, die eine standardisierte Währung einführten. Indem sie eine kurze Metallstange in fünf Teile schnitten, erhielten sie fünf Deute.« Ich bildete zwei Reihen aus je fünf der Münzen. Sie sahen wieder wie kurze Metallstangen aus. »Zehn Deute entsprechen einem Kupfer-Jot; zehn Jot –«
    »Danke, das genügt«, unterbrach mich Ben. »Diese beiden Deute«, er hielt mir zwei Münzen hin, »könnten also aus der selben Stange stammen, nicht wahr?«
    »Also, in Wirklichkeit haben sie die wahrscheinlich einzeln gegossen …« Bei seinem Blick verstummte ich. »Ja, gewiss.«
    »Dann verbindet sie also immer noch etwas, nicht wahr?« Wieder dieser Blick.
    Das sah ich nicht so, war aber nicht so dumm, ihn zu unterbrechen. »Ja, genau.«
    Er legte die Münzen wieder auf den Tisch. »Wenn man die eine bewegt, müsste sich die andere also ebenfalls bewegen, nicht wahr?«
    Ich stimmte zu, weil ich sehen wollte, wohin diese Argumentation führen würde. Als ich die Hand ausstreckte, um eine der Münzen zu berühren, hielt Ben meine Hand zurück und schüttelte den Kopf. »Erst musst du sie daran erinnern. Ja, du musst sie sogar erst davon überzeugen.«
    Er nahm eine Schale und gab einen Klecks Kiefernharz hinein.Er tunkte eine der Münzen in das Harz, klebte die zweite daran fest, sprach einige Worte, die ich nicht verstand, und zog die beiden Münzen dann langsam wieder auseinander, wobei das Harz Fäden zog.
    Er legte eine Münze auf den Tisch und behielt die andere in der Hand. Dann murmelte er wieder etwas.
    Er hob die Hand, und – die auf dem Tisch liegende Münze vollzog die Bewegung nach. Er tänzelte mit der Hand durch die Luft, und das braune Eisenstück hüpfte entsprechend hin und her.
    Dann sah er mich an. »Das Gesetz der Sympathie ist ein Grundpfeiler der Magie. Es besagt: Je ähnlicher sich zwei Dinge sind, desto stärker ist die sympathetische Verbindung zwischen ihnen. Und je stärker die sympathetische Verbindung zwischen ihnen ist, desto einfacher können sie einander beeinflussen.«
    »Diese Definition ist ein Zirkelschluss.«
    Er legte die Münze nieder. Der Ernst des Dozenten wich einem Grinsen, und er versuchte, mit nur geringem Erfolg, sich das Harz mit einem Lappen von den Fingern zu wischen. Er überlegte kurz. »Scheint ziemlich nutzlos, oder?«
    Ich nickte zögernd. Fangfragen waren bei diesem Unterricht

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