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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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nichts Ungewöhnliches.
    »Möchtest du lieber lernen, wie man den Wind ruft?« Seine Augen blitzten. Er murmelte ein Wort, und ein Rascheln lief durch die Zeltleinwand des Wagendachs.
    Ich spürte ein wölfisches Grinsen auf meinem Gesicht.
    »Sehr schade, E’lir.« Sein Grinsen war ebenfalls wölfisch und wild. »Aber vor dem Schreiben kommt das Buchstabieren.«
    Er zog ein Blatt Papier hervor und notierte ein paar Worte. »Der Trick besteht darin, sich ganz dem Alar zu ergeben. Du musst daran glauben, dass die beiden Münzen miteinander verbunden sind. Du musst es wissen .« Er reichte mir das Blatt Papier. »Das ist die phonetische Umschrift. Man bezeichnet das als die sympathetische Bindung paralleler Bewegungen. Übe es.« Er sah nun noch wölfischer aus als zuvor – alt, grauhaarig und ohne Augenbrauen.
    Ben ging sich die Hände waschen. Ich verschaffte mir mit dem Steinernen Herzen einen klaren Kopf. Bald schon trieb ich auf einerSee leidenschaftsloser Ruhe. Ich klebte die beiden Metallstücke mit dem Kiefernharz aneinander. Dann richtete ich in meinem Geiste das Alar darauf, dass die beiden Münzen miteinander verbunden seien. Ich sprach die Worte, zog die Münzen auseinander, sprach das letzte Wort und wartete ab.
    Kein plötzliches Machtgefühl. Es überlief mich weder kalt noch heiß. Und ich wurde auch von keinem grellen Lichtstrahl erfasst.
    Ich war ziemlich enttäuscht. So enttäuscht, wie man es mit einem Steinernen Herz nur sein konnte. Ich hob die Münze in meiner Hand, und die Münze auf dem Tisch hob sich in gleicher Weise. Das war Zauberei, zweifellos. Dennoch war ich alles andere als überwältigt. Ich hatte erwartet, dass … Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Jedenfalls nicht das.
    Den Rest des Tages verbrachte ich damit, mit der einfachen sympathetischen Bindung zu experimentieren, die Abenthy mir beigebracht hatte. Ich lernte, dass man fast alles miteinander verbinden kann. Einen Eisendeut und ein Silbertalent, einen Stein und ein Stück Obst, zwei Ziegelsteine, einen Erdklumpen und einen Esel. Nach gut zwei Stunden kam ich dahinter, dass das Kiefernharz gar nicht nötig war. Als ich Ben danach fragte, gestand er, dass es nur dabei half, sich zu konzentrieren. Er war, glaube ich, erstaunt, dass ich das ganz ohne ihn herausgefunden hatte.
    Lasst mich die Gesetze der Sympathie nur ganz kurz zusammenfassen, denn Ihr werdet ja wahrscheinlich nie mehr als nur ganz ungefähr verstehen müssen, wie diese Dinge funktionieren.
    Erstens: Energie lässt sich weder erschaffen noch vernichten. Wenn man eine Eisenmünze anhebt, und die andere schwebt entsprechend vom Tisch empor, so fühlt sich die Münze, die man in der Hand hält, so schwer an, als würde man beide Münzen heben, was man ja tatsächlich auch tut.
    So weit die Theorie. In der Praxis fühlt es sich an, als würde man drei Eisenmünzen anheben. Keine sympathetische Verbindung ist vollkommen. Je unterschiedlicher die Dinge sind, desto mehr Energie geht dabei verloren. Stellt Euch das vor wie einen undichten Aquädukt, der zu einem Wasserrad führt. Eine gute sympathetische Verbindung hat nur ganz wenige undichte Stellen, und ein Großteilder Energie wird genutzt. Eine schlechte Verbindung hingegen ist voller Lücken, und nur sehr wenig von der Mühe, die man hineinsteckt, gelangt letztlich an ihr Ziel.
    So habe ich beispielsweise einmal versucht, ein Stück Kreide mit einer Glasflasche voll Wasser zu verbinden. Diese beiden Dinge hatten nur eine sehr geringe Ähnlichkeit miteinander, und daher fühlte sich, als ich die Kreide hob, die nur etwa zwei Pfund schwere Wasserflasche an, als wöge sie mindestens sechzig Pfund. Die beste Verbindung, die ich hinbekam, bestand aus den beiden Teilen eines Astes, den ich entzweigebrochen hatte.
    Nachdem ich diese ersten Grundlagen der Sympathie begriffen hatte, brachte mir Ben weitere bei. Er lehrte mich Aberdutzende sympathetische Verbindungen und Hunderte kleine Tricks für das Leiten und Lenken der Energie. Jede und jeder davon entsprach einer Vokabel im riesigen Wortschatz einer Sprache, die ich eben erst zu sprechen begann. Meist war es sehr ermüdend, und ich streife das hier nur am Rande.
    Ben unterrichtete mich auch weiterhin in anderen Fächern: in Geschichte, Arithmetik und Chemie. Doch ich sog gierig alles auf, was er mir über die Sympathie beibrachte. Dabei ging er sparsam mit seinen Geheimnissen um und ließ mich erst beweisen, dass ich eins beherrschte, ehe er mir ein weiteres

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