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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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effizient, sondern entsprach auch schon beinahe der Fähigkeit, ganz allein Harmonien singen zu können. Das wurde zu einer meiner Lieblingsbeschäftigungen. Nach zwei Tagen des Übens war ich in der Lage, ein Trio zu singen. Schon bald darauf gelang mir das geistige Äquivalent zum Palmieren von Spielkarten und dem Jonglieren mit Messern.
    Es folgten noch viele weitere Lektionen, aber keine war so grundlegend wie das Alar. Ben brachte mir auch das Steinerne Herz bei, eine geistige Übung, die einen befähigte, Gefühle und vorgefasste Meinungen beiseite zu schieben und vollkommen unvoreingenommen an jedes beliebige Thema heranzugehen. Ben zufolge vermochte ein Mann, der das Steinerne Herz beherrscht, sogar das Begräbnisseiner eigenen Schwester zu besuchen, ohne eine einzige Träne zu vergießen.
    Ferner lehrte er mich ein Spiel, das Such den Stein hieß. In diesem Spiel ging es darum, dass ein Teil des eigenen Bewusstseins einen imaginären Stein in einem imaginären Zimmer versteckte. Und ein anderer, separater Teil des Bewusstseins musste dann nach diesem Stein suchen.
    Dieses Spiel lehrt wertvolle geistige Kontrolle. Wenn man Such den Stein beherrscht, entwickelt man dabei ein eisernes Alar von der Art, wie es für die Sympathie nötig ist.
    Doch so unglaublich praktisch es auch ist, gleichzeitig an zwei verschiedene Dinge denken zu können, ist die Übung, die man braucht, bis man soweit ist, bestenfalls frustrierend und manchmal richtig beunruhigend.
    Ich weiß noch, dass ich einmal fast eine Stunde lang nach dem Stein suchte, ehe ich mich bereit fand, meine andere Hälfte zu fragen, wo sie denn damit abgeblieben sei, nur um zu erfahren, dass ich den Stein überhaupt nicht versteckt hatte. Ich hatte vielmehr gewartet, um zu sehen, wie lange ich suchen würde, bis ich schließlich aufgab. Habt ihr euch schon einmal gleichzeitig über euch geärgert und amüsiert? Das ist, gelinde gesagt, ein interessantes Gefühl.
    Ein andermal bat ich um einen Tipp und verhöhnte mich schließlich selber. Es ist kein Wunder, dass die meisten Arkanisten, denen man begegnet, ein wenig exzentrisch sind, wenn nicht gar völlig übergeschnappt.

Kapitel 11
    Das Binden des Eisens

    I ch saß hinten in Abenthys Wagen. Es war ein wunderbarer Ort für mich, Heimstatt Hunderter Flaschen und Päckchen, und erfüllt von tausenderlei Gerüchen. Meinem jugendlichen Gemüt erschien es meist sogar noch interessanter als der Karren eines Kesslers, nicht jedoch an diesem Tag.
    In der Nacht hatte es in Strömen geregnet, und die Straße war ein einziger Morast. Da die Truppe keine fixen Termine hatte, hatten wir beschlossen, ein oder zwei Tage lang Rast zu machen, bis die Straßen wieder trocken waren. So etwas kam häufiger vor, und diesmal war es für Ben eine gute Gelegenheit, meine Kenntnisse zu vertiefen. So saß ich also an dem hölzernen Arbeitstisch hinten in Bens Wagen und ärgerte mich, dass ich den Tag damit vergeudete, mir von ihm Vorträge über Dinge anzuhören, die ich längst verstand.
    Mein Verdruss war wohl nicht zu übersehen, denn Abenthy seufzte und setzte sich zu mir. »Nicht so ganz, was du erwartet hast, hm?«
    Ich atmete ein wenig auf, denn es klang so, als sei ich vorübergehend von seinen Lehrvorträgen erlöst. Er nahm eine Handvoll der Eisendeute, die auf dem Tisch lagen, und ließ die kleinen Münzen nachdenklich in der Hand aneinanderknirschen.
    Er sah mich an. »Hast du das Jonglieren auf einen Schlag gelernt? Sofort mit fünf Bällen? Und auch mit Messern?«
    Ich errötete ein wenig. Trip hatte es mich anfangs nicht einmal mit drei Bällen probieren lassen. Er ließ mich mit zwei Bällen jonglieren. Und selbst die fielen mir ein paar Mal runter. Ich erzählte Ben davon.
    »Genau so ist es«, sagte Ben. »Erst wenn du einen Trick beherrschst, bekommst du den nächsten beigebracht.« Ich dachte schon, dass er nun wieder aufstehen und mit seinen Vorträgen fortfahren würde, aber das tat er nicht.
    Vielmehr hielt er mir die Handvoll Eisendeute hin. »Was weißt du darüber?«, fragte er und ließ die Münzen in der Hand aneinanderknirschen.
    »In welcher Hinsicht?«, fragte ich. »Physikalisch, chemisch, historisch –«
    »Historisch«, sagte er mit einem Grinsen. »Verblüffe mich mit deinen historischen Detailkenntnissen, E’lir.« Ich hatte ihn einmal gefragt, was E’lir bedeutete, und er hatte behauptet, es bedeute »der Kluge«, aber angesichts des Zuckens, das um seinen Mund spielte, als er das sagte,

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