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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Schock litt, seine Eltern verloren zu haben …«
    Kvothe schüttelte den Kopf. »Nein. In Tarbean konnte ich wenigstens betteln und stehlen. Es war mir ja nur mit großer Mühe gelungen, einen Sommer lang in den Wäldern zu überleben. Aber im Winter?« Er schüttelte den Kopf. »Da wäre ich entweder verhungert oder erfroren.«
    Kvothe schenkte sich nach und gab dann einige Prisen Gewürze in seinen Becher. Mit nachdenklicher Miene ging er zu dem großen Kamin. »Aber du hast natürlich recht. Ich hätte es überall besser gehabt als in Tarbean.«
    Während er ins Feuer blickte, zuckte er die Achseln. »Aber der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier. Es ist immer schwierig, aus einem Trott herauszukommen, in den man einmal verfallen ist. Vielleicht empfand ich es sogar als gerecht. Das war meine Strafe dafür, dass ich nicht da war, um ihnen beizustehen, als die Chandrian kamen. Meine Strafe dafür, dass ich nicht gemeinsam mit meiner Familie in den Tod gegangen war.«
    Bast machte den Mund auf, machte ihn wieder zu und starrte mit gerunzelter Stirn auf die Tischplatte.
    Kvothe sah sich zu ihm um und lächelte mild. »Ich will damit nicht sagen, dass das vernünftig war, Bast. Empfindungen sind nicht notwendigerweise vernünftig. Ich empfinde es heute auch nicht mehr so, aber damals empfand ich es so. Das weiß ich noch.« Er wandte sich wieder zum Feuer. »Der Ausbildung durch Ben verdankeich ein so gutes Gedächtnis, dass es manchmal schon beängstigend ist.«
    Kvothe nahm einen kleinen Stein aus dem Feuer und ließ ihn in seinen Holzkrug plumpsen. Es zischte. Im Raum verbreitete sich der Duft von Nelken und Muskat.
    Er rührte seinen Apfelwein mit einem langen Löffel um und kehrte an den Tisch zurück. »Und außerdem musst du bedenken, dass ich nicht bei klarem Verstand war. Ich stand immer noch unter Schock, mein Verstand schlief gewissermaßen. Ich brauchte etwas oder jemanden, um ihn aufzuwecken.«
    Er nickte dem Chronisten zu, der beiläufig seine Schreibhand ausschüttelte und sein Tintenfass wieder entkorkte.
    Kvothe lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich musste an Dinge erinnert werden, die ich vergessen hatte. Ich brauchte einen Grund dafür, dort fortzugehen. Und es dauerte Jahre, bis ich jemanden traf, der das schaffte.« Er lächelte zu dem Chronisten hinüber. »Bis ich Skarpi kennen lernte.«

Kapitel 26
    Lanres Verwandlung

    I ch war zu diesem Zeitpunkt schon seit drei Jahren in Tarbean und nun fünfzehn Jahre alt. Ich hatte gelernt, in Waterside zu überleben. Aus mir war ein fähiger Bettler und Dieb geworden. Jedes Schloss und jede Tasche bekam ich auf. Und ich wusste, welche Pfandleiher mir etwas abnahmen, ohne Fragen zu stellen.
    Ich war noch immer zerlumpt und oft auch hungrig, aber nicht mehr unmittelbar am Verhungern. Ich hatte einen Notgroschen angespart. Selbst nach einem harten Winter, in dem ich oft gezwungen gewesen war, für einen warmen Schlafplatz zu bezahlen, bestand mein Schatz noch aus mehr als zwanzig Eisenpenny. Für mich war das ein Vermögen.
    Ich hatte mich eingewöhnt. Doch neben dem Bestreben, meinen Notgroschen zu mehren, gab es nichts, wofür ich lebte. Nichts, was mich angetrieben hätte. Nichts, worauf ich mich gefreut hätte. Ich verbrachte meine Tage damit, nach eventueller Diebesbeute und möglichen Vergnügungen Ausschau zu halten.
    Das änderte sich jedoch eines Tages in Trapis’ Keller. Da hörte ich ein kleines Mädchen ehrfürchtig von einem Geschichtenerzähler berichten, der Stammgast der Hafenkneipe Zum Halbmast sei. Angeblich erzählte er dort jeden Tag um sechs Uhr eine Geschichte. Und er kannte jede Geschichte, um die man ihn bat. Und außerdem gebe es da eine Wette: Kannte er eine Geschichte nicht, die jemand von ihm zu hören verlangte, so zahlte er demjenigen ein ganzes Talent.
    Diese Sache ging mir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Sinn. Ich bezweifelte zwar, dass es stimmte, konnte mir aber den Gedanken einfach nicht verkneifen, was ich mit einem ganzen Silbertalent alleshätte anstellen können. Ich könnte mir ein Paar Schuhe kaufen und vielleicht auch ein Messer und würde, auch wenn ich Trapis etwas davon abgab, meinen Notgroschen damit immer noch verdoppeln.
    Selbst wenn das mit der Wette geflunkert war, reizte mich die Sache. Unterhaltung war auf der Straße ein rares Gut. Hin und wieder führte eine Lumpentruppe an einer Straßenecke ein Stück auf oder war in einer Kneipe ein Fiedler zu hören. Doch richtige Unterhaltung gab es

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