Der Narr und der Tod
blickte sie verständnislos an. Wollte sie wissen, was Hayden gekostet hatte?
„Acht Pfund und fünf Gramm“, sagte Rory.
Ah! Die korrekte Antwort auf diese Frage war die Bekanntgabe des Geburtsgewichts. Ich wollte versuchen, mir das zu merken, und lächelte Rory an.
„Ach, wie süß!“ Candra – so hieß die Kellnerin laut Namensschild – gab uns die Speisekarten. „Der Vater kennt das Geburtsgewicht.“
„Oh, er ist ein wundervoller Vater“, versicherte ich, weil ich mich gerade total albern fühlte. „Er war die ganze Zeit dabei.“
Das musste Candra erst mal sacken lassen – der Altersunterschied zwischen Rory und mir war deutlich. Ihre Augen wurden zunehmend größer. „Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?“, fragte sie mit leicht erstickter Stimme.
Als wir bestellt hatten, fischte ich eins der vorbereiteten Fläschchen aus der Kühltasche und bat Candra, es für mich aufzuwärmen. Auch das lernte ich auf dieser Fahrt: völlig Fremde um Hilfe zu bitten, auch wenn meine Bitten manchmal ein ziemlich starkes Stück waren. Wer als Mutter reiste, konnte gar nicht anders. „Machen Sie mir bitte das Fläschchen warm? Würden Sie mir noch eine Serviette bringen? Die dreckige Windel wegwerfen? So tun, als hörten Sie nicht, dass mein Kind gerade die Bude zusammenschreit?“
Mein schrecklichster Augenblick entstand in Kentucky, wo ich Hayden zum Windelwechseln in die Damentoilette schleppte. Ich trug das Baby, die Wickel- und meine Handtasche. Nachdem ich Hayden eine neue Windel angezogen hatte – der eiskalte Waschraum verfügte immerhin über einen Klapptisch, an dem man das konnte –, stellte ich fest, dass ich selbst ganz dringend zur Toilette musste. Wo sollte ich das Kind ablegen? Die Zeit reichte nicht mehr, ihn zu Martin zu bringen, ich hatte es absolut eilig. Ich glaube, in meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas so Kompliziertes unternehmen müssen wie den Versuch, mir in einem Kabuff von der Größe einer Telefonzelle Hose und Unterwäsche herunterzuziehen und dabei gleichzeitig ein Baby, eine dicke Windeltasche und eine Handtasche festzuhalten. Noch dazu trug ich einen Mantel.
Das war nicht nur kompliziert, es war demütigend. Höchstwahrscheinlich hätte ich es mit der Nummer bei „Pleiten, Pech und Pannen“ weit gebracht, aber mir kam sie erst einmal gar nicht witzig vor. Als ich fertig war und alles in umgekehrter Reihenfolge erneut durchexerzieren musste, beschloss ich, diesen Vorfall niemals witzig zu finden.
Martin kam auch nicht ungeschoren davon und litt besonders, als ein wohlmeinender Kassierer ihn „Opi“ nannte. Zum Glück bekam Martin das Grinsen nicht mit, das Rory sich verkniff, und auch ich hatte Glück, denn mein Gesicht war zum Lächeln viel zu müde.
Was die Gespräche auf der Reise betraf, so bestanden diese im Wesentlichen aus Aushorchversuchen. Martin löcherte Rory, um Näheres über Craig und das Kind, Regina und das Kind, die Geburt des Kindes und darüber, wieso Regina ohne Craig nach Lawrenceton gefahren war, herauszubekommen.
„Sie hat nicht damit gerechnet, dass wir früher aus dem Gefängnis kommen“, gestand Rory schließlich, als alles Brimborium nichts half. Bis dahin hatte er uns weismachen wollen, Regina sei wohl zu uns gekommen, um ein bisschen mit dem Kind anzugeben, solange ihre Mutter außer Landes weilte.
„Weiß meine Schwester, dass sie ein Enkelkind hat?“
„Was?“
„Weiß Reginas Mutter, dass Regina ein Baby hat?“
„Nein. Eigentlich nicht.“
Rory saß inzwischen vorn bei Martin und ich hinten bei Hayden, den ich amüsierte, indem ich ein Spielzeug über ihm baumeln ließ, auf das er sich zu konzentrieren versuchte. Auf meinem Schoß lag eine Babydecke. Ich dachte daran, sie glattzustreichen und an den Enden zusammenzudrehen, bis ein Strick entstand, den ich dann um Rorys mageren Hals schlingen könnte. Dann würde er schon mit der Wahrheit herausrücken. Ich war aber viel zu müde, um dies in die Tat umzusetzen. Ich war so müde, der Begriff „müde“ traf meinen Zustand schon gar nicht mehr.
„Ist das Baby wirklich Reginas?“, erkundigte ich mich scharf. „Oder hat sie Hayden irgendwo mitgenommen?“
Martin schloss kurz die Augen, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Straße.
„Natürlich ist das Reginas Kind!“, sagte Rory mehr als entrüstet.
„Woher wissen Sie das?“
„Craig hat sie zur Hebamme gefahren.“
„Dann haben Sie zugesehen, wie das Kind zur Welt kam?“
„Verdammt,
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