Der Narr und der Tod
moralisches Problem darzustellen. „Craig hat Regina zu einer Hebamme gebracht.“ Offensichtlich fiel ihm ein, dass der Craig, von dem er erzählte, nicht mehr am Leben war, jedenfalls verschwand sein Lächeln. „War viel billiger, hat er gesagt“, murmelte er.
„Ich muss packen“, verkündete ich. Beide Männer sahen mich an.
„Alles klar“, sagte schließlich Rory nach einer kurzen Phase der Stille, die ich nur als bedeutungsschwangere Pause bezeichnen konnte. „Dann füttere ich den kleinen Mann weiter.“
Ich reichte ihm Baby und Flasche und verbrachte anschließend im Schlafzimmer eine wunderbar ruhige Stunde ganz für mich allein, in der ich versuchte, mir Kleidung zusammenzustellen, die für den Winter in Ohio angemessen sein könnte. Während ich suchte und zusammenfaltete, ging mir eine Reihe wichtiger Fragen durch den Kopf. Wo sollten wir in Corinth wohnen? Bei meinem letzten Aufenthalt dort war ich im Holiday Inn untergebracht gewesen, aber mit einem Baby im Zimmer würde es dort sehr eng werden. Was war mit dem Farmhaus, das Martin dort oben besaß? Das Haus, in dem er groß geworden war? Es hatte sich in einem ziemlich erbärmlichen Zustand befunden, war von Martin inzwischen aber wieder hergerichtet worden, was er einmal ganz nebenbei erwähnt hatte.
„Wir könnten in meinem Haus wohnen“, meldete sich Martin von der Tür aus, weshalb ich erschrocken auffuhr. „Ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte er sich.
„Ich dachte auch gerade an das Farmhaus“, sagte ich, als mein Herz nicht mehr versuchte, aus dem Brustkorb zu hüpfen. „Du hast es herrichten lassen?“
„Ja, und um gleich noch etwas zu gestehen: Craig und Regina haben dort gewohnt.“
„Wieso sprichst du von ‚gestehen‘?“ Ich setzte mich auf das Fußende des Bettes, zwei ungeöffnete Packungen Strumpfhosen in der Hand.
„Ich habe es dir nicht gesagt.“ Martin wanderte durch das Zimmer, um schließlich am Fenster stehen zu bleiben. Seine Schultern wirkten zusammengesunken, was bei ihm ungewöhnlich war. Der trostlose Anblick der abgeernteten Felder half seiner Laune bestimmt nicht weiter. Es war ein grauer Tag, die Wolken waren schwer. Regenschwangere Wolken, zwitscherte mir mein Hirn zu, woraufhin ich die Strumpfhosen fallen ließ, um meinen Kopf in beide Hände zu stützen.
„Warum hast du es mir nicht gesagt, Martin? Wieso musstest du ein so großes Geheimnis darum machen?“
Er setzte sich neben mich auf das Bett und legte ganz vorsichtig einen Arm um mich, als wäre ihm durchaus bewusst, dass ihm das einen kräftigen Nasenstüber eintragen konnte.
„Cindy erzählte mir, du würdest immer Geheimnisse haben“, fuhr ich fort. „Sie sagte, so wärst du nun einmal, du könntest nichts dagegen machen.“ Ich hatte Martin nie von der Unterhaltung erzählt, die ich vor unserer Hochzeit mit seiner ersten Frau geführt hatte, denn ich war mir so sicher gewesen, dass er aus seiner ersten Ehe gelernt hätte und bestimmte Fehler nicht noch einmal machen würde.
„Ich habe dich nie belogen“, verteidigte sich Martin, und auch davor hatte Cindy mich gewarnt.
Ich fand es widerlich, dass sie recht behielt.
„Martin, wenn du etwas über diese Sache weißt, das du mir noch nicht erzählt hast – wenn es etwas über Craig und Regina zu wissen gibt, oder über Rory oder Cindy oder deine Schwester ... wenn es irgendetwas gibt, was du mir noch nicht erzählt hast, dann ist das jetzt deine letzte Chance.“
„Was passiert, wenn ich die verpasse? Zeigst du mir dann die gelbe Karte?“ Martins Gesicht nahm langsam vertraute Züge an: Die Unsicherheit verblasste, um Intelligenz und Befehlsgewalt Platz zu machen. Beides trug er gewöhnlich ebenso selbstverständlich wie eine Anzugjacke.
„Dann fliegst du aus dem Spiel.“ Ich blickte ihm direkt in die hellbraunen Augen.
„Aber noch bin ich drin?“
Ich nickte.
Sein Mund hatte es nicht weit bis zu meinen Lippen.
Diesmal war es anders. Martin und ich waren im Bett immer ein perfektes Paar gewesen und auch jetzt schaffte er es wieder, dass ich mich in der Magie des Liebesspiels verlor. Aber er war heute rauer, fordernder als sonst, als müsste er sich seiner Exklusivrechte auf meinen Körper neu versichern, irgendeine kosmische Gewalt herausfordern, sie sollte es nur wagen, uns zu trennen. „Du Frau, ich Mann“, sagte sein Körper. Aber meiner keuchte: „Immer mal langsam, Junge!“
Kapitel 6
Niemand sollte Rory in unserem Auto sehen können,
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