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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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nein!“
    „Aber Sie waren mit bei der Hebamme?“
    „Na ja ...“ Rory schien angestrengt nachzudenken, was ihm bestimmt nicht leicht fiel. „Nicht direkt, nicht so sehr ich, meine ich. Eher Craig. Ich glaube, ich war im Gefängnis.“
    Ich schlang mir die Enden der Decke um die Hände, um den Strick griffbereit zu haben, sobald Martin mir seine Zustimmung signalisierte und ich diesen Spinner erwürgen durfte.
    Martin warf einen Blick über die Schulter, sah, was ich tat und blickte sofort wieder nach vorn. Sein Gesicht war verzerrt von unterdrücktem Lachen.
    „Sag es!“, drängte ich.
    „Rory?“, versuchte Martin es erneut. „Wer hat Regina zur Hebamme gefahren?“
    „Möglicherweise bin ich ein Stück mitgefahren“, improvisierte Rory. „Sie haben mich unterwegs bei sich daheim abgesetzt.“
    „Aber das Kind, Hayden, das Baby auf dem Rücksitz, ist Craigs und Reginas Kind?“
    „Woher soll ich das wissen? Die sehen doch alle gleich aus.“
    Martin drehte sich nochmals kurz um. „Ich bin schwer versucht“, sagte er. „Leg das noch nicht weg.“

    Wie die meisten furchtbaren Dinge – Achterbahnfahrten, Ausschusssitzungen, Untersuchungen beim Frauenarzt – fand auch diese Fahrt irgendwann ein Ende. Nach dreizehn Stunden (von denen Hayden zweieinhalb durchgehend schrie) erreichten wir Corinth. Inzwischen mochte ich in diesem Mercedes niemanden mehr, mich selbst eingeschlossen. Rory lotste Martin zum Haus seiner Familie, das in einem recht heruntergekommenen Stadtteil lag. Kaum hatten wir vor dem winzigen, roten Ziegelhaus gehalten, das auf einem kleinen Hügel stand und über eine steile, windschiefe Treppe verfügte, als Rory auch schon aus dem Auto kletterte – und zwar in einem Tempo, das wirklich kein Kompliment an uns beinhaltete. „Ich rufe Sie an“, versprach er. „Danke, dass Sie mich nicht an die Bullen übergeben haben. Passen Sie gut auf Hayden auf.“ Dann hastete er die Treppe hoch, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Seine zweite Kleidungsgarnitur drückte er in einer braunen Papiertüte an sich, das Haar, das er bis eben unter einer gestrickten Mütze verborgen hatte, stand wild in alle Richtungen ab. Die Straßenlaterne verhalf seinem Schopf zu einem gewissen Grünschimmer und ließ seine Eile beinahe wie eine Flucht aussehen.
    Wir beobachteten sein Verschwinden mit Erleichterung.
    „Wenn er einmal zwei Gedanken zugleich fasst, schmeißen die beiden eine Überraschungsparty“, sagte Martin. Ich nickte.
    „Die Frage ist: Ist er unter all dieser Dummheit gut oder böse?“, sagte ich.
    „Ich glaube nicht, dass er klug genug ist, um böse zu sein“, meinte Martin.
    Dieselbe Straßenlaterne, die den fliehenden Rory beleuchtet hatte, ließ meinen Mann abgezehrt und wütend aussehen. Eigentlich war er aber nur müde und schlecht gelaunt – vermutlich.
    „Man muss nicht schlau sein, um ein böser Bube zu werden“, rief ich ihm ins Gedächtnis.
    Es war zu spät und wir waren zu müde, um uns den Überraschungen zu stellen, die das alte Bauernhaus für uns bereithalten mochte. Also mieteten wie uns im Holiday Inn ein, wo wir beladen mit allem Babyschnickschnack in unser Zimmer stolperten. Martin baute das Reisebettchen auf, während ich Haydens Windel wechselte. Trinken wollte er nicht mehr. Im Zimmer stand eine Minibar, in der ich das abgelehnte Fläschchen unterbrachte. Ich klopfte dem Kleinen sanft auf den Rücken, bis er eingeschlafen war. Martin lag schon längst auf unserer Schlafstätte. Ich fühlte mich, als hätte sich ein Elefant auf mich gerollt und wäre ein paar Stunden liegen geblieben. Ich putzte mir die Zähne, wusch mir das Gesicht und legte mich neben meinen Mann.
    Zwei Stunden später erwachte Hayden.
    Ich war noch nicht ganz bei mir, da stand ich schon neben seinem Bett.
    Er hatte Hunger.
    Die Milch in der Flasche war kalt, und ich hatte keine Chance, sie aufzuwärmen.
    Wissen Sie, was ich in meiner Verzweiflung letztlich tat? Ich schob mir das Fläschchen unter das Nachthemd, direkt an die nackte Haut – ein klasse Gefühl, wie man sich denken kann. Dann setzte ich mich auf den einzigen Stuhl im Zimmer, schaukelte Hayden, sang ihm leise vor, versuchte, ihn für seinen Schnuller zu begeistern, alles ohne Erfolg. Als mir die Milch nicht mehr ganz so kalt vorkam, schob ich Hayden den Sauger der Flasche in den Mund. Er protestierte noch kurz, fing dann aber an zu nuckeln.
    Martin verschlief die gesamte Arie.

    Als er mich am nächsten Morgen behutsam an der

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