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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Aschenbecher, jedenfalls nicht so sehr wie die Tatsache, dass sich hier einfach niemand um die Dinge kümmerte oder für sie sorgte.
    So hatte ich mir ein vorübergehendes Heim für Hayden nicht vorgestellt.
    „Das ist Ihre Ehefrau?“
    Lenore hatte mich bei der Trauung kennengelernt, schien sich aber nicht daran zu erinnern. Also stellte Martin mich ihr erneut vor, woraufhin sie uns mit einer Geste bat, auf der Couch Platz zu nehmen. Etwas verunsichert setzten Martin und ich uns auf die Couchkante, nachdem wir Haydens Utensilien neben der Tür abgestellt hatten.
    „Hugh?“, schrie Lenore in Richtung der hinteren Räume des Hauses. „Martin und seine kleine Frau sind hier!“
    Aus dem Nebenzimmer drang ein seltsamer Laut, eine Art langgezogenes Schnaufen. Dann hörten wir, wie sich Hugh Harbor dem Wohnzimmer näherte. Ihm voraus kamen die Geräusche eines Menschen, der eine Gehhilfe verwendete. Hugh schien so alt wie seine Frau zu sein, die ich auf Mitte fünfzig schätzte. Er war mager, recht bleich und hatte braunes Haar, von dem allerdings nicht mehr viel vorhanden war.
    Hugh wirkte außer Atem und keuchte bei der Begrüßung. Inzwischen war mir auch die Sauerstoffflasche ins Auge gefallen, die in einer Zimmerecke stand. Trotzdem wurde in diesem Zimmer geraucht? Das war doch zweifellos gefährlich. Rory hatte erwähnt, Hugh Harbor sei krank. Hätte ich doch besser aufgepasst und ein paar Fragen gestellt. Aber ich hatte es so eilig gehabt, jemanden zu finden, der mir Hayden abnahm, dass ich einfach nicht nachgedacht hatte.
    „Ich freue mich, dass Sie die lange Fahrt hierher auf sich genommen haben.“ Hugh ließ sich langsam in einen grünlichen Lehnstuhl mit Kunstlederbezug sinken, dessen Polsterung an einer Armlehne aus dem Bezug quoll. Über dem Sitz lag ein Handtuch, das vermutlich schlimmere Schäden verdecken sollte. Woher wusste der Mann, dass wir mit dem Wagen gekommen waren? „Wir glauben nicht, dass Gina dem armen Craig was getan hat“, keuchte Hugh. „Das werden Einbrecher gewesen sein, meinen Sie nicht auch? Oder ein Typ, der Gina gesehen hatte und sie hübsch fand, Craig hätte nicht zugelassen, dass sich wer an Gina ranmacht.“
    „Wir sind überzeugt, dass Regina nichts damit zu tun hatte.“ Martin klang felsenfest überzeugt, und ich sah, wie erleichtert er war. Es wäre grauenhaft gewesen, hätten Hugh und Lenore seiner Nichte die Schuld an Craigs Ableben gegeben.
    „Ich bin sicher, der kleine Hayden wird Ihnen ein großer Trost sein“, sagte ich, was sich absolut kläglich anhörte. Dabei streckte ich die Arme aus, in denen ich Hayden hielt.
    Lenore und Hugh musterten mich verlegen und überrascht. Sie waren wohl schon lange verheiratet, ihre Blicke waren nämlich vollkommen identisch.
    „Babys sind fabelhaft“, sagte Lenore schließlich, allerdings mit einem bedauernswerten Mangel an Begeisterung. „Hugh und ich haben einen ganzen Stall voll großgezogen. Wir wussten gar nicht, dass Sie und Martin ein Kind erwarten, junge Dame.“
    Martin und ich sahen einander an. Auch wir werden ausgesehen haben wie ein altes Ehepaar; unisono überrascht und sprachlos.
    Selbst wenn ich gewusst hätte, was ich sagen sollte, ich hätte kein Wort herausgebracht. Martin ließ seinen Blick zwischen Hayden und Lenore hin und her wandern. Lenore nutzte die Pause, um sich eine neue Zigarette anzuzünden.
    „Das ist nicht unser Baby“, brachte er schließlich hervor, wobei er sich aber nicht ganz überzeugt anhörte. „Das ist Reginas und Craigs Sohn Hayden.“
    Man hätte denken können, wir hätten angekündigt, uns gleich auszuziehen, um es auf dem Fußboden miteinander zu treiben: Wieder ähnelten sich die Mienen der Harbors bis aufs I-Tüpfelchen, nur stand diesmal eine Mischung aus Schrecken und Faszination darin geschrieben. Als sie Martins Worte verdaut hatten, kamen noch weitere Emotionen hinzu. Sie schossen über beider Gesichter wie Wolken an einem stürmischen Tag.
    „Davon hören wir zum ersten Mal“, sagte Lenore schließlich. Ich war sicher, das war nicht das Erste, was ihr durch den Kopf gegangen war. Hugh nickte. Auf seinem kahlen Kopf spiegelte sich das Licht der Deckenleuchte.
    „Sie wussten nicht, dass Craig und Regina ein Kind erwarteten?“ Ich musste fragen, auch wenn ich die Antwort kannte. Mein Herz hätte nicht mehr tiefer rutschen können, es hing etwa auf Höhe meines großen Zehs.
    „Nein.“ Diesmal sprach Hugh. „Sie haben nie gesagt, dass sie ein Kind erwarteten.

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