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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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Glückwünschen ins Auge, die zum Jubiläum eines runden Geburtstag aufgehängt worden waren.
    »Was macht jemand, der in dieser Einöde wohnt, eigentlich in seiner Freizeit? Ich bin mir sicher, dieser freundliche Mann mit Hut vor uns ist am Weg zur kritischen Kabarett-Tagung im Nachbarort. Vielleicht will er aber auch eine philosophische Lesung im Wirtshaus ›Zum röhrenden Hirsch‹ besuchen. Bei so vielen kreativen Geburtstagssprüchen muss so mancher hier einen Harem an Musen im Keller haben«, stellte Remmel fest.
    »Sei nicht immer so negativ! Eine meiner Schwestern hat in diese Gegend geheiratet und sie ist heilfroh, von dem Gestank der Stadt, den überfüllten U-Bahnen und den Menschen mit den grantigen Gesichtern weg zu sein«, konterte Hanni. »Hast du nicht auch in deiner Jugend eine Zeit lang im Internat am Land gelebt?«
    Die Belegschaft zerbrach sich schon seit Jahren den Kopf über das ›Mysterium seiner Jugendjahre‹. Normalerweise ging er aufs Klo, wenn jemand das Thema ›Jugendsünden‹ auch nur anschnitt und begann, darüber zu schwärmen, wie wunderbar früher einmal alles gewesen war. Wenn ihn dann jemand auch noch direkt fragte, was er in seiner Jugend gemacht und erlebt hatte, und nicht locker ließ, täuschte er Durchfall vor.
    »Warst du jetzt in einem Internat oder nicht? Ein simples ›Ja‹ oder ›Nein‹ wird ja nicht so schwer sein, oder?«
    Remmel versuchte, seine Kollegin zu ignorieren und fing an, ›Du narrischer Kastanienbaum‹ vor sich hin zu summen. Doch Hanni ließ nicht locker: »Jetzt sag schon!«
    Er spürte bereits, wie die ersten Schweißperlen auf seine Stirn traten. Irgendetwas musste er ihr vor die Füße werfen, damit sie endlich Ruhe gab.
    »Du findest es wirklich in Ordnung, jemanden der den Vornamen Gottfried Maria trägt, zu fragen, was er in seiner Jugend erlebt hat?«
    Hanni sah ihn fragend an. Remmel hoffte, dass sie nicht nachhaken würde, doch dieser Wunsch war vergebens.
    »Also dafür, mit religiösen Wurzeln erzogen worden zu sein, sollte sich niemand schämen müssen. Wenn man bedenkt, wie viele Werte die Welt schon verloren hat, da frage ich mich manchmal …«
    Er stoppte ihre beginnende Ansprache mit einem Seufzen. Wenn er etwas aus dieser ›ach so goldenen Zeit‹ mitgenommen hatte, dann war es die Überzeugung, nur an das zu glauben, was er auch sehen, hören, ertasten, schmecken oder riechen konnte. Leute, die auch nur ansatzweise über ihre Vorstellungen von einem übernatürlichen Wesen reden wollten, bekamen von ihm nur sein Hinterteil zu sehen. Er wollte einfach nicht darüber diskutieren, ob es allem Bösen und Schlechten auf dieser Welt und aller Verfehlungen irgendwelcher Vatikanbrüder zum Trotz, nicht doch irgendeinen Gott geben könnte. Nicht umsonst galt er als der ›Schreck der Zeugen Jehovas aus dem Gemeindebau‹.
    »Also ich erinnere mich heute noch gerne an meine Erstkommunion. Das weiße Kleid und die schönen Lieder. Alles war so friedlich und harmonisch.«
    »Wem seit frühester Kindheit eingetrichtert wird, dass es keinen Zweifel an Gott gibt, der begreift spätestens dann, dass Religion eine Lüge ist, wenn er beginnt, alles anzuzweifeln und zu hinterfragen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, mit welchen abscheulichen Mitteln diese scheinheiligen Brüder arbeiten, nur um ihre Macht aufrecht zu erhalten. Glaub mir, du willst nicht, dass ich anfange, dir zu erzählen, warum Religion für mich so verabscheuungswürdig ist. Ich will deine Illusionen nicht zerstören. Denk ruhig weiter – unschuldig wie du bist – mit Freude an dein weißes Kleid. Es ist nicht meine Mission, dir den Allmächtigen auszutreiben.«
    Hanni hatte ihren Partner schon oft zynisch, verärgert oder grantig erlebt, aber ein Remmel mit hochrotem Kopf war gefährlich. Sie merkte, dass sie drauf und dran war, eine Tür aufzustoßen, die man besser geschlossen hielt.
    Kaum jemand unter den Kollegen konnte Remmel leiden. Er galt als Schwarzseher, ›ewiger Grandscherben‹ und melodramatisch. Gerade eben auf der Autobahn eine Stunde zuvor, hatte es Momente gegeben, in denen auch der Yogi-Tee sie nicht mehr beruhigte und sie ihn am liebsten aus dem fahrenden Auto getreten hätte, als er wie ein aufgescheuchtes Huhn panisch »Tacho!« kreischte, sobald die Nadel die 130 auch nur um einen Millimeter überschritten hatte. Als sie einmal rechts überholt worden waren, war sie froh darüber, dass Remmel keine Dienstwaffe trug. Und dabei beeilte sie sich doch

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