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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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geantwortet. Sam schrie laut auf, als sie fast von der Fahrspur abkamen. In Windeseile schrieb sie ihre Nachricht zu Ende.
    »Ihr werft euch chemisches Zeugs in die Birne, dröhnt euch mit Reizüberflutungen zu und betrinkt euch, damit ihr euch dann und wann mal etwas traut, wozu ihr nüchtern zu feige wärt. Armselig! Wir aber feiern unter dem Angesicht der Göttin. Auch ein Mittelalterfest, wie das gestern, ist für uns Heiden eine gute Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen.«
    »Viele Stimmungskanonen waren gestern nicht unterwegs. Wo war die Rockmusik? Bei meinen Feiern erzählt man sich Witze und lacht. Alles was ich hörte, waren bierernste Gespräche, bei denen manche den Schwertkampf tatsächlich besser als Sex fanden.«
    »Hast du dir einen Cagedance erwartet?«, antwortete Nimue bissig. Doch kurz darauf erhellten sich ihre Gesichtszüge wieder. »Du bist an einem Ort mit vielen wunderbaren Menschen. Dort spielen die Barden auf, du trinkst mit einem guten Freund ein Bier. Bei diesem etwas beleibteren Gesellen mit dem Dudelsack, den du gestern vielleicht gesehen hast, musst du als Frau allerdings ein wenig aufpassen … So manche wachte nach einer Flasche Met schon in seinem Zelt auf und nicht jede war am Morgen danach darüber erfreut. Nirgendwo steht das Materielle im Vordergrund. Alles ist zeitlos. Egal, was du auch tust. Ob du nun mit Leuten sprichst, Bogen schießt, Orakelbefragungen machst, die Natur bewunderst oder auch einfach nur in einen blubbernden Kessel starrst: Dich stört kein Handy, dich stören keine Kokser, Junkies oder sonstige kranken Typen. Niemand, der sich bei dir ausheult, weil sein Job scheiße ist. Auch die Kinder sind normal und nicht zivilisationsgeschädigt … sag, welcher gesunde Mensch will das nicht?«
    Sam hatte keine Lust dazu, ihr zu sagen, dass sie in seinen Augen einen Knall hatte. Nimue fummelte an ihrem Autoradio herum. Die Nachrichten wurden angekündigt.
    »Hast du nicht irgendeine Musik? Was von den Extremen? Die hab ich gestern gehört, die rocken!«
    Doch es war zu spät.
    »… bei dem Mord an der Tochter des bekannten Bankmanagers Dr. Heisenstein geht die Polizei bereits den ersten Hinweisen nach. Inspektor Wimmer von der Linzer Kripo gab heute Mittag an, nähere Details des Tathergangs seien noch unbekannt. Es gäbe aber bereits einen Verdächtigenkreis. Inoffiziellen Quellen zufolge wird bereits nach einzelnen Personen gefahndet. Dr. Heisenstein war noch zu keiner Stellungnahme in den Medien bereit, seine Assistentin kündigte aber an, dass er sich im Rahmen einer Pressekonferenz den Fragen der Journalisten stellen werde. Nun zum Wetter …«
    Nimue seufzte kurz, sagte aber nichts. Das Schweigen wurde für Sam zur Qual.

    *

    Remmel seufzte, als er die Festbesucher sah, die ihm entgegenkamen. Je mehr er von ihnen sah, desto mehr wurde er an seine Freunde vom Comicsammler-Stammtisch erinnert. Manche von ihnen waren vielleicht ein wenig verschroben, aber sie waren alle in Ordnung und einfach nur in eine Fantasiewelt abgetaucht.
    Tief in seinem Inneren wäre er auch manchmal gerne ein Ritter aus den zahlreichen ›Prinz Eisenherz‹-Comics gewesen. Wenn er es sich genau überlegte, wäre er sogar noch weiter in der Geschichte zurückgegangen: Majestix, Häuptling der Gallier bei Asterix! Die Rolle wäre ihm wie auf den Bauch geschrieben gewesen! Vor allem hätte er das Recht gehabt, auf einem Schild getragen zu werden.
    Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als getragen zu werden, als er den kleinen Steilhang sah, der sich zur Burg hochschlängelte. Während er sich keuchend Schritt für Schritt hinaufquälte, spürte er regelrecht die Blicke der Kollegen auf seinen Bauch und seinen Hintern. Er kannte all die Phrasen in- und auswendig: »Ich verstehe ja … ein kleines Schwimmreiferl! Das kann passieren, ich hab ja auch ein kleines. Aber so richtig ›blad‹ werden? So dass ich vielleicht nicht einmal mehr meinen eigenen … du weißt schon … sehen kann? Das wäre mir viel zu peinlich!«
    Vor allem Schremser war ein Kandidat, der sicher gerne lästern würde, gäbe man ihm die Gelegenheit. Seitdem der zu kurz geratene Polizist in Uniform zu ihnen gestoßen war, redete er ohne Pause. Wie er alle Verdächtigen vernommen hatte, wie er sich darum gekümmert hatte, dass die Absperrung errichtet worden war und dass ohne ihn nicht einmal ein Fingerschnippen funktionieren würde. Er hatte alles unter Kontrolle und war mit jedem einzelnen Streifenpolizisten in

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