Der Narr
Polizei dazu befragen würde, warum der Fahrer von Dr. Heisenstein den Mörder seiner Tochter umgebracht hatte. Viel hing von ihrer Aussage ab. Immer noch wartete sie auf die Anweisung ihres Chefs. Sie war es gewohnt, dass er direkt zur Sache kam und wurde sichtlich unruhig.
»Sehen Sie, Frau Mansdorf«, sagte er und versuchte nach einem Räuspern wieder, wie ein Bankdirektor zu wirken. »Wenn ein Ex-Knacki, den ich eingestellt habe, Scheiße baut, fällt das auch auf mich zurück. Vereinbaren Sie einen Termin mit dem Hirndoktor, der schon diesem anderen Kollegen weitergeholfen hat … Sie wissen schon, dieser Kollege, dessen Familie bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.«
»Dr. Köttinger ist diese Woche sicherlich ausgebucht. Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf? Ich könnte eine gute Freundin von mir anrufen. Sie ist die beste Kriseninterventionistin, die ich kenne. Für mich würde sie noch heute einen Termin einschieben.«
Dass ein Termin bei Dr. Köttinger Zeit brauchte, war Teil des Plans gewesen. Sobald er belegen konnte, dass auf Drängen von ihm ein Termin bei einem Psychologen vereinbart worden war, wäre er aus dem Schneider gewesen. Aber er konnte seinen Fahrer nicht mit einem Mord beauftragen und am gleichen Tag zu einer Psychologin schicken.
»Vergessen Sie das!«, seufzte Heisenstein. »Jemand wie Kratochvil vertraut sich keiner Frau an!«
»Aber Getrude ist wirklich einmalig …«
»Frau Mansdorf, was ist los mit Ihnen?«, fuhr Heisenstein seine Assistentin an. »Ich habe Ihnen eine klare Anweisung gegeben. Ein Termin mit Dr. Köttinger für meinen Fahrer. Ist das klar?«
Vielleicht roch sie den Braten, doch schließlich nickte sie und verließ das Büro.
Er öffnete sein Textverarbeitungsprogramm und fing an zu tippen. Was würde jemand wie Joe schreiben, um seine grauenvolle Tat zu erklären? Vermutlich gar nichts. Heisenstein durfte es mit seinen Worten nicht übertreiben. Schneller als gedacht, war das Schreiben fertig. Nie und nimmer würde Joe den Brief in seinem Auto finden – und genau da würde Heisenstein ihn verstecken.
»Leute wie Sie steigen immer gut aus. Es sind Leute wie ich, die draufzahlen!« – Manche würden eben nie verstehen, warum sie nur eine Marionette in einem Spiel waren, dessen Regeln sie nicht einmal verstanden.
*
»Eine Schande, dass ausgerechnet so ein hübsches Ding umgebracht wird«, seufzte Schremser und nahm seine Polizeimütze ab. Hanni entging dabei nicht, dass für diese Bewertung seine Augen auf den vollen Busen und die schlanke Taille der nackten Leiche gerichtet waren.
»Wenn unser Opfer eine bucklige, übergewichtige Frau wäre, würden Sie dann die Tat für weniger schlimm halten?«, fuhr sie den Kollegen wütend an. Sie hatte ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Endlich war Remmel nicht mehr der Einzige, der herumgrantelte.
»Männer, die Frauen immer noch auf ihren Körper reduzieren, gehören in den Zoo!«, setzte sie nach.
»Ich habe gestern Nacht gehört, wie jemand in den Zuber gestiegen ist«, seufzte Zwentner. »Heute Morgen hat man dann ihre Kleidung dort gefunden.«
»Ein Zuber?«
»Eine Büttr, Bütt! Linguistisch verwandt mit dem Bottich, auch Zuber genannt, hergeleitet vom althochdeutschen Wort ›zuo-amber‹«, las Schremser laut von seinem Handy ab.
»Vereinfacht gesagt, ein Bad im Mittelalter«, fasste Zwentner kurz zusammen. »Ein befreundetes Pärchen stellt den Zuber regelmäßig bei Festen auf. Mit ihrer Spezialkonstruktion, mithilfe deren Wasser in einem zweiten, kleineren Bottich erhitzt wird und direkt vom Zuber aus nachgelassen werden kann, haben sich die beiden hier viele Freunde geschaffen. So ist es möglich, auch zu dieser Jahreszeit, in der es ja abends doch ein wenig frisch ist, zu baden. Am besten, Sie schauen sich das selbst einmal an.«
»Das hölzerne Ding, das direkt neben dem Eingang steht, ist eine Badewanne?«, fragte Schremser entsetzt, worauf Zwentner nickte.
»Hurerei!«, fluchte Schremser und spuckte aus. »Grauslich, ich hab den Schweiß von Menschen getrunken und mir damit das Gesicht gewaschen.«
»Das Opfer ist aus diesem riesigen Wassereimer gestiegen und danach splitterfasernackt durch die Gegend gelaufen. Hanni, hättest du so etwas mit 20 getan?« Remmel ignorierte den wild um sich spuckenden Schremser und blickte Hanni grinsend an.
»Du hast ja keine Ahnung, was ich mit 20 alles getan habe«, lachte seine Kollegin. »Aber wenn ich mir vorstelle, dass
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