Der Narr
blickte auf eine dreißig Zentimeter lange Holzstatue, die offenbar einer antiken Gottheit gewidmet war. Es war eine weibliche Figur, die streng genommen aus drei Frauen bestand.
»Irgendeine Idee?«, fragte Remmel.
»Könnte es auch ein Ritualmord gewesen sein? Vielleicht hat der Stein dort als eine Art Altar gedient«, mutmaßte Hanni.
»Alles, was hier oben gefunden wurde, kommt ins Labor«, polterte Remmel. »Und ich dachte mir, die Zeiten, in denen irgendwelche Spinner nackte Jungfrauen opfern, sind vorbei!«
Wieder unterbrach die ›Star Wars‹-Melodie die Runde. Schremser griff zu seinem Handy.
»Meine Herren, unser Schwein wurde gefunden.«
*
Sam blinzelte aus dem Fenster. Seit geraumer Zeit fuhren Sie an Bäumen und Wäldern vorbei. Er stellte sich schlafend. Wieder hatte Nimue mehrmals SMS-Nachrichten empfangen und wutentbrannt eine Antwort in ihr Handy gehämmert.
Er fühlte sich wie in einem Computerspiel. Wie oft war er da durch fantastische Sphären gestreift, um fremde Welten zu erforschen und die Wahrheit herauszufinden. Zahlreichen Quests war er gefolgt und ging dabei jeder Spur nach. Doch noch fehlte ihm dieses eine Item, das ihn mächtig werden ließ: Der Superpilz, der magische Regenschirm oder eine Tarnkappe. Selbst Roger Wilco, der trottelige Held aus ›Space Quest‹, hätte bereits eine Lösung gefunden, während Sam noch im Dunkeln tappte.
Nach einiger Zeit griff Nimue zum Handy und wählte eine Nummer.
»Kannst du reden? Gut, für mich gibt es da noch was zu klären! Was soll das heißen, ich habe es versaut? Wir reden dann auf der Pyramide.«
Seufzend legte die Hexe auf. »Verdammtes Arschloch!«, fluchte sie und trat wieder aufs Gas.
*
Remmel folgte den Kollegen keuchend hinab in den Rittersaal. Der Raum fasste etwa sechzig Leute. Er war, abgesehen von dem massiven Kronleuchter an der Decke, weitgehend leergeräumt. Zwei mächtige, neue Fenster schützten den Saal vor Kälte. An zahlreichen Stellen waren die Zeichen des Verfalls ausgebessert worden, dennoch war der Kampf gegen Zeit und Witterung deutlich zu erkennen. Durch die feuchten Wände drohte sich der Schimmel auszubreiten.
Links nebenan befand sich ein kleiner Raum mit einem Ausschank und sieben Tischen. Er ließ sich durch eine massive Holzdoppeltür abschließen. Die meisten Stühle waren übereinandergestapelt. Auf einem der Sessel saß ein junger Mann in einer schwarzen Lederhose. Seine blonden langen, leicht fettigen Haare hingen ihm in sein bärtiges Gesicht. Er räusperte sich, als er Remmel und seine Begleitung sah. Schon aus der Ferne konnten die Beamten riechen, dass er noch alkoholisiert war. Remmel sah einen mächtigen Thorshammer um seinen Hals, als er sich am Kinn kratzte.
»Sie sind also Hildisvini?«, fragte Wimmer.
»Der Met ist leider aus. Gestern alles vernichtet«, lallte der junge Mann. Er versuchte sich aufzurichten und dabei wäre er fast vom Sessel gefallen.
»Wo waren Sie die ganze Zeit?«
Er lachte schallend: »Bis in die Morgenstunden gefeiert! Musste mich ausschlafen.«
»Dieser Mann dürfte noch unter dem Einfluss von Alkohol stehen«, stellte Wimmer schlau fest.
»Bin nie angesoffen«, entgegnete Hildi erbost, »nur manchmal im Zustand der heiligen Raserei.«
»Wo ist da der Unterschied?«
»Das hätte ich ihn jetzt nicht gefragt«, murmelte Zwentner und Remmel hätte ihn beigepflichtet, wenn er gewusst hätte, was nun folgen würde. Hildi erhob sich mit einem Ruck.
»Wer nach reifer, ritueller Vorbereitung einen Trunk aus dem Kessel des Skladenmets Óðrœrir zu sich nimmt und dazwischen weder Bier noch andere alkoholische Getränke konsumiert oder den heiligen Saft gar blasphemisch mit unreinen Sachen vermischt, der verfällt in den Zustand des reinen Rausches. Ein heiliger Zustand. Eine höhere Stufe des Seins, in der der Adept nicht lallt oder seinen Nächsten trunken besabbert, sondern in dem die Wut, der Urgrunz nach oben kommt und sich in einer Form der wahren und echten Anima ausdrückt.«
Jeder wunderte sich, dass Hildi diese Sätze fehlerfrei wiedergeben konnte. Die Runde blieb still. Also erklärte er seine Lehre etwas eindringlicher: »Der blockierte Urgrunz, also wenn man seine Wildheit nicht auslebt«, sprach er mit erhobenem Zeigefinger, »entzieht Lebenskraft und führt nebenbei auch dazu, dass man Haare verliert. Verdrängte Wut, Wut, die irgendwo ins Unterbewusstsein verbannt wurde, Wut, die irgendwo im Inneren ist, aber nicht merklich erkennbar ist, ist
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