Der Narr
Chefinspektor konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Wir müssen Sie aber trotzdem hierbehalten, solange wir keine Bestätigung für das Sperma im Wasser bekommen«, wandte sich Remmel an Aristos. Es war ihm ein Vergnügen, den Kerl ein paar Tage schmoren zu wissen.
»Hey, was soll das? Ich bin immerhin freiwillig gekommen. Ich habe Termine!«
In diesem Moment stand Marion auf, die bislang obwohl anwesend, wie unsichtbar gewesen war. »Ich kann bezeugen, dass Phil es nicht war«, sagte sie zaghaft.
»Frau Müller?«, fragte Hanni überrascht. »Was haben Sie dem noch hinzuzufügen?«
»Ich hab die beiden im Zuber gesehen. Phil ist ihr nicht gefolgt«, fuhr Marion schüchtern fort.
»Baby, wieso hast du das nicht schon früher gesagt? Weißt du, wie lange ich mich angeschissen habe, sie könnten mir was in die Schuhe schieben?«
»Sie schauen da einfach so ohne weiteres zu, wie eine Fremde mit Ihrem Freund in den Zuber steigt?«, fragte Hanni skeptisch.
Marion nickte.
Remmel wurde immer noch nicht schlau aus ihr. Sie hatte die ganze Zeit über nur auf den Boden gestarrt. Es fiel ihm schwer sich vorzustellen, was in ihrem Kopf herumging.
»Ich hab mir Sorgen gemacht. Als erstes wollte ich ihr die Kleider bringen, aber …«
»Aber dann wäre es Ihrem Freund aufgefallen, dass Sie ihm nachspioniert haben. Er hätte Sie beim Kleider aufsammeln ertappt«, vervollständigte Hanni.
»Kurz nachdem Alice in die Burg hinein gelaufen ist, bin ich ihr nachgegangen. Ceallach lag zu diesem Zeitpunkt in dem Raum rechts beim Aufgang. Ihm war kalt und er bat mich, ihm seinen Mantel zu holen. Ich bin in die Schenke gelaufen. Ich sah, wie Sam mit dem Kopf auf dem Tisch lag. Er schnarchte. Am Tisch war auch Ceallachs Umhang. Ich dachte mir, dass Alice die Plattform hinaufgelaufen sein würde und dachte mir: ›Nachdem die Männer schlafen, kann ich auch noch später zu ihr. Vorher bringe Ceallach einmal seinen Umhang ‹«
»Sie sind also mit dem Mantel wieder runter zu Ceallach gelaufen«, fuhr Remmel dazwischen, um die Aussage der jungen Frau zu beschleunigen, die bei ihren Ausführungen sehr detailliert und langsam sprach.
»Nun … da war noch was … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll … aber …«
»Marion, sag schon!«, bohrte nun auch Phil ungeduldig nach.
»Remmel, geh bitte mal mit Herrn Aristos ins Nebenzimmer und lass uns einen Augenblick alleine. Ich möchte ein Gespräch von Frau zu Frau führen.«
*
Gerade als Sam zur U-Bahn gehen wollte, fuhr er zusammen. Nimue stand bei einem Würstelstand und sprach mit dem Verkäufer. Es gab keinen Zweifel, dass sie nach ihm suchte.
Sam atmete tief durch. Er wäre gerne zu ihr hingegangen, um in Erfahrung zu bringen, wer Joe Kratochvils Smartphone mitgenommen hatte. Dieses Mobiltelefon könnte sein Weg aus der Misere sein, womöglich gab es darauf sogar noch Hinweise, wer der wahre Mörder war.
Doch von allen, die er treffen konnte, würde sie ihm womöglich am meisten schaden. Er wollte es nicht drauf ankommen lassen und schlich sich an ihr vorbei in die U-Bahnstation.
*
Hanni hatte zwar nicht die Adleraugen für Details, doch sie konnte Remmels blinde Flecken ausgleichen: Manche Lebensbereiche waren ihrem Kollegen völlig fremd. Es waren nicht die großen, rehbraunen Augen, die ihr Marions Geheimnis verrieten. Auch nicht, dass die junge Frau devot zu ihrem Freund aufsah, sobald der ansetzte, zu sprechen. Was Hanni auffiel, waren die langen Ärmel. Das, was sie gesehen hatte, als einer davon verrutscht war, reichte aus. Sie kannte diese Male, die sich auf ihrer Haut abzeichneten.
Es war schon ein paar Jahre her gewesen, aber wenn Hanni ihre Augen schloss, spürte sie seine Lippen auf ihrer Haut, seine festen Hände und auch die sanften Bisse. Dass Louis anders war als andere Männer, war ihr sofort klar gewesen. Dieser besitzergreifende Blick, sein eigensinniges Beharren darauf, allein in seiner Muttersprache zu sprechen, obwohl er sich fast akzentfrei auf Deutsch unterhalten konnte. Sie hatte schon geahnt, auf was sie sich einlassen würde, als er ihr anbot, mit auf sein Zimmer zu gehen. Sie hatte kurz überlegt, ob sie sich diesem Spiel verweigern sollte, aber die Neugier hatte gesiegt. Sie hatte ihm still zugesehen, wie er ihre Hände mit einer Kordel an dem Bett festschnürte und dann ihre Augen verband. Louis machte keine halben Sachen. Es wäre ihr nicht gelungen, sich zu befreien. Bis er sie wieder losband, war sie ihm völlig ausgeliefert.
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