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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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diesen Mann?«
    Tretschkow schüttelte energisch den Kopf. »Der? Hat man den nicht vor ein, zwei Wochen aus dem Kanal gefischt? Das ist ein
     Russe?«
    »Ein Bekannter von Alexej Kardakow.«
    »Kardakow also!« Schlaff sank Tretschkow auf den Stuhl zurück. »Ich hätte es mir eigentlich denken können!«
    »Was denken können?«
    »Dass dieser Mann Unglück über Swetlana bringen würde.«
    »Die beiden sind ein Paar, nicht wahr?«
    Tretschkow nickte. »Sie muss ihn ungefähr ein halbes Jahr, nachdem sie bei mir eingestiegen ist, kennen gelernt haben. Und
     danach war sie plötzlich ein anderer Mensch.«
    Weil sie mit ihrem Bandleader nicht mehr ins Bett wollte, vermutete Rath. »Wie meinen Sie das?«, fragte er.
    »Sie wurde plötzlich so ernst. Als ich sie kennen lernte, da hatte sie viel mehr gelacht. Ich fürchte, er hat sie mit seinen
     abstrusen politischen Ideen angesteckt.«
    »Für die Sie nicht viel übrig haben …«
    »Hören Sie mir auf mit diesen Weltverbesserern! In Russland sehen Sie ja, wohin das führt!«
    »Kardakow war Kommunist?«
    »Keine Ahnung, wie er das selbst nannte. Die Bolschewiken jedenfalls konnte er nicht ausstehen, da waren wir uns ausnahmsweise
     alle drei einig. Aber ich habe nie viel mit ihm über Politik gesprochen, da war er unerträglich. Ich habe überhaupt nie viel
     mit ihm gesprochen.«
    »Haben Sie ihn nach dem Verschwinden der Gräfin noch einmal gesehen?«
    »Nein.«
    »Kam ihr Verschwinden für Sie überraschend?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wie ich es gesagt habe: Hat es Sie überrascht, dass Sie plötzlich keine Sängerin mehr hatten, oder haben Sie damit gerechnet?«
    Rath spürte, dass er wieder an einen wunden Punkt gerührt hatte. Tretschkow druckste herum. »Sie hat es angekündigt«, sagte
     er schließlich.
    »Und hat Sie gebeten, etwas aus der Wohnung zu holen …«
    Der Musiker sah ihn mit großen Augen an. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich habe mir den Kleiderschrank angesehen. Sie haben etwas aus dem Mantelfutter getrennt und mitgenommen.«
    »Ja. Sie hatte mich darum gebeten. Es war vor ungefähr vier Wochen. Sie war zu spät zur Probe gekommen. Ich wollte schon schimpfen,
     da sah ich ihre Augen. Darin lag solch eine große Angst …«
    »Wovor hatte sie Angst?«
    »Das hat sie mir nicht gesagt. Sie hat mir nur ihren Wohnungsschlüssel gegeben und mich gebeten, das Futter in ihrem Wintermantel
     aufzutrennen. Das, was ich darin fände, sollte ich mitnehmen und gut verstecken.«
    »Und das haben Sie getan …«
    Tretschkow nickte. »Sie ist sofort wieder gegangen, nachdem sie mir den Schlüssel gegeben hatte. Sie hat nicht gesagt wohin,
     sie hat mir nur Lebewohl gesagt, und ich solle mir besser eine andere Sängerin suchen. Das kommt überhaupt nicht in Frage,
     habe ich ihr gesagt. Wir warten auf dich! Eine Zeit lang können wir auch ohne Sängerin auftreten.« Er stockte, die Erinnerung
     schien ihn zu übermannen. »Es war alles so … so seltsam. Sie klang so merkwürdig. Als wäre es ein Abschied für immer. Es hätte
     mir fast das Herz zerrissen, sie weggehen zu sehen.«
    »Aber Sie haben sich um ihr Zimmer gekümmert.«
    »Darum hat sie mich gebeten. Ich solle nach dem Rechten sehen, die Blumen gießen. Einfach so tun, als sei sie für eine Weile
     verreist.«
    »Aber das glauben Sie nicht.«
    »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich glauben soll.«
    »Glauben Sie, die Gräfin noch einmal wiederzusehen?«
    Tretschkow zuckte die Achseln. Er saß zusammengesunken da wie ein Häufchen Elend. »Ich hoffe es«, sagte er schließlich, »aber
     ich fürchte das Gegenteil.«
    »Hat denn außer Ihnen jemand in den vergangen vier Wochen das Zimmer betreten?«
    »Wer denn?«
    »Was weiß ich? Die Gräfin selbst, Kardakow, Stalins Spione? Sie haben mir doch gesagt, sie habe Angst gehabt, Sie haben mir
     erzählt, Stalin sei hinter ihr her.«
    »Aber das ist doch nur eine Vermutung …«
    Rath merkte, wie er die Geduld verlor, aber er riss sich zusammen. »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«, fragte er ruhig. »Sah das
     Zimmer bei einem Ihrer Besuche anders aus, als Sie es zurückgelassen hatten? Wurde in den Sachen gewühlt?«
    »Woher wissen Sie das schon wieder? Ich hab das Durcheinander doch wieder in Ordnung gebracht. Da lag so gut wie nichts an
     seinem Platz!«
    »Wann war das?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht eine Woche nach ihrem Verschwinden.«
    Rath nickte und machte sich eine Notiz. »Sie haben vorhin gesagt, Gräfin Sorokina als Mörderin zu

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