Der nasse Fisch
Informationen noch nicht veröffentlichen! Aber ich verspreche dir, du hast die Geschichte als Erster.
Wenn die anderen noch bei der Pressekonferenz sitzen, läuft sie bei euch schon durch die Rotation. In ein oder zwei Tagen
kann ich dir grünes Licht geben.«
»Grünes Licht?«
»Wie am Potsdamer Platz: Du hältst dich bereit, und wenn das Signal auf Grün springt, dann gibst du Gas!«
Der Morgen war weit fortgeschritten, als er wieder an seinem Schreibtisch in der Burg saß. Eigentlich war es fast Zeit für
die Mittagspause. Auf die würde er heute verzichten. Er hatte noch so viel zu erledigen. Nach einem neuen Zimmer hatte er
auch noch nicht geschaut.
Vor allem musste er jetzt sein Bild im Fall Wassermann auf den neuesten Stand bringen. Endlich hatte er halbwegs Durchblick. Zwar immer noch keine gerichtsverwertbaren Beweise,
aber die zusammenzutragen war ja auch Böhms Aufgabe, nicht seine.
Eine stimmige Theorie konnte er immerhin präsentieren, eine Richtung, in die man weiter ermitteln konnte. Mehr hatte Zörgiebel
auch von Böhm nicht verlangt, nur war der es schuldig geblieben. Anders Rath: Er konnte dem Polizeipräsidenten immerhin einen
Mordverdächtigen servieren, vielleicht sogar zwei. Zwar nicht auf dem Silbertablett, denn Kardakow und die Gräfin Sorokina
waren verschwunden, aber es waren immerhin Namen. Namen, die man zur Fahndung rausgeben konnte. Im Fall Wassermann würde sich wieder etwas tun. Zum ersten Mal seit der Spurensicherung, vermutete Rath. Denn alles, was Böhm danach veranstaltet hatte, war nichts als blinder Aktionismus gewesen.
Das Telefon klingelte, Rath nahm ab und meldete sich.
»Wie weit sind Sie mit Ihrer Liste?«, bellte es grußlos aus dem Hörer. Wenn man vom Teufel sprach! Oder nur an ihn dachte!
Böhms Liste! Er hatte sie sich noch nicht einmal richtig angeschaut, geschweige denn wusste er, was er damit überhaupt anstellen
sollte.
»Die Liste, Herr Oberkommissar? Nun, ich denke morgen …«
»Morgen? Wie lange brauchen Sie denn, um ein paar Alibis abzufragen? Wollen Sie der Rotfront Zeit lassen, in den Untergrund
abzutauchen? Ich möchte Ihren Bericht heute noch auf meinem Tisch sehen, ist das klar?«
»Jawohl, Herr Oberkommissar!«
Rath legte geräuschvoll auf. Dieses Arschloch.
Wenigstens wusste er jetzt, was er zu tun hatte. Böhm hatte sich offensichtlich eine Mitgliederliste des Rotfrontkämpferbundes
in der Abteilung IA besorgt und in kleinen Häppchen an die Kollegen verteilt.
Er schaute sich den Zettel an. Sechs Namen, alle begannen sie mit I. Keine Adressen. Er musste erst einmal ins Passamt. Telefon
besaß von denen wahrscheinlich keiner. Also würde er rausfahren müssen. In den Wedding und ähnliche unerfreuliche Viertel.
Eigentlich hatte er sich den Donnerstagnachmittag anders vorgestellt. Aber wenigstens hätte er während der Fahrt Zeit nachzudenken.
Er rief in der Fahrbereitschaft an und ließ sich einen Opel reservieren.
Kurz darauf stand er im Passamt.
»Sie kommen aber spät. Ihre Kollegen waren alle heute Morgen schon da.« Derselbe grauhaarige Passbeamte, der ihm schon einmal
auf die Nerven gegangen war. Wenigstens schien ihn der Alte nicht wiederzuerkennen.
»Und ich bin jetzt hier! Nun setzen Sie mal Ihre müden Knochen in Bewegung, Mann. Das sind doch nur sechs Adressen.«
»Junger Mann, wie ich meine Arbeit mache, das müssen Sie mirüberlassen. Ein wenig mehr Sorgfalt könnte den jungen Leuten heutzutage bei ihrer Arbeit bestimmt auch nicht schaden.«
Der Alte setzte seine Lesebrille auf und stiefelte mit Raths Namensliste zu den Rollschränken. Ungefähr zehnmal verglich er
die Namen mit den Karteikarten, die er aus einer Schublade zog. Dann schien er überzeugt, die richtigen Adressen herausgesucht
zu haben. Er kehrte zu Rath zurück, der an der Holzschranke stehen geblieben war.
»Hier, bitte schön.« Der Passbeamte legte die Karteikarten auf den Tisch. Rath steckte sie in die Jackentasche und wollte
gehen.
»Halt, wo wollen Sie hin?«
»In mein Büro, wenn es Ihnen nichts ausmacht!«
»Sie können die Karten nicht mitnehmen.«
»Nur für ein paar Stunden.«
»Tut mir leid. Die Vorschriften. Sie dürfen sie nur einsehen. Machen Sie sich Notizen.«
Rath zückte seinen Bleistift und sein Notizbuch und fing an, die Adressen zu übertragen. Als er fertig war, zählte er nur
fünf. Von wegen Sorgfalt!
»Hey, Sie!«
Der Alte war beleidigt. »Ich bin kein Oberkellner, Herr Kommissar«,
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