Der nasse Fisch
ging, hatte er ihm nicht
gesagt, und erst recht nicht mit wem.
Es war fast acht, als er die Burg endlich verlassen hatte und mit der U-Bahn zum Potsdamer Platz gefahren war. Direkt vor
dem Haus Vaterland kam er wieder aus dem Untergrund, das nächtliche Berlin empfing ihn mit aufgekratzten Nachtschwärmern und gleißenden Lichtreklamen.
Der Fußweg über die Königgrätzer Straße führte am Europahaus vorbei, und er blieb einen Moment vor dem Kino stehen, in das
sich gerade die Besucher der Hauptvorstellung drängten. Vor genau einer Woche hatte er hier gestanden und auf Charly gewartet.
Und im Café Europa hatte er sie zum ersten Mal geküsst. Kinogänger rempelten sich an ihm vorbei und schimpften. Rath machte sich wieder auf
den Weg. Das Excelsior lag nur wenige Schritte entfernt.
Es klopfte an der Zimmertür. Das musste sie sein. Sein Blick fiel auf das Abendblatt , das immer noch aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Er faltete die Zeitung zusammen und versteckte sie unter dem Bett. Charly
musste das nicht sehen. Irgendwie spürte er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen, das er sich nicht genau erklären konnte.
»Mach bitte auf«, rief sie durch die Tür, »ich hab keine Hand frei!«
Sie strahlte ihn an, als er öffnete. In der Rechten trug sie einen kleinen Koffer, in der Linken ein paar Papiertüten mit
aufgedruckten Kaufhausnamen. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Diesmal bin ich vorbereitet«, sagte sie. »Ich will nicht noch einmal mit einem Kleid vom Vortag zur Arbeit kommen. Und du
…« Sie warf eine Einkaufstüte von Tietz aufs Bett. »… für dich habe ich wenigstens frische Unterwäsche und Socken mitgebracht.«
Die nächste Tüte flog aufs Bett. »Ob das Hemd sitzt,weiß ich nicht, deine Kragengröße hab ich geraten. Aber die Krawatte müsste dir stehen, passt jedenfalls gut zu deinem Anzug.«
Er nahm die Tüten vom Bett und staunte. »Nicht schlecht! Soll ich es gleich mal anprobieren?«
Sie hängte das Nicht-stören -Schild an die Tür und machte sie zu.
»Anprobieren? Irrtum, Herr Kommissar. Das ist nicht der Zeitpunkt, irgendetwas anzuziehen. Dies ist der Zeitpunkt, etwas auszuziehen!«
Er gehorchte. Doch zuerst kümmerte er sich um sie. Jede Stelle ihres Körpers, die er freilegte, wurde mit Küssen bedacht,
ihre Arme, ihre Schultern, ihr schlanker Hals. Als er sie in den Nacken biss, stöhnte sie leise. Sie wollte sich zu ihm umdrehen,
ihn küssen, wollte ihn umarmen, doch er bedeutete ihr, still stehen zu bleiben. Er nahm ihr die Schuhe ab und rollte ihre
Strümpfe langsam das Bein hinunter, erst den rechten, dann denn linken. Als das Kleid von ihren Schultern glitt, hätte er
es vor Erregung kaum noch ausgehalten, doch er behielt das langsame Tempo bei. Sie zitterte leicht, als seine Hände ihre Brüste
umfassten und sein Mund wieder ihren Nacken erreichte. Erst dann drehte er sie langsam zu sich um. Einen kurzen Moment schauten
sie sich in die Augen, sie atmeten heftig.
Und dann fielen sie wie ausgehungert übereinander her.
Danach lagen sie lange Zeit schweißglänzend und schweigend nebeneinander, sie in seinem Arm. Er schaute gedankenverloren
an die Decke. So glücklich war er seit ewigen Zeiten nicht gewesen.
Du bist verliebt, mein Lieber , sagte er sich.
Sie hatten sich in dieser Woche viel zu selten gesehen, Charly hatte recht: So konnte das nicht weitergehen. Aber bald würden
die Dinge anders aussehen, er hätte einen festen Platz in der Mordinspektion, keine Heimlichkeiten mehr, endlich eine berufliche
Perspektive in dieser Stadt. Und eine private. Am liebsten wäre er sofort mit ihr zusammengezogen. Er suchte doch sowieso
eineWohnung. Na gut, er wollte sie nicht überfallen. Aber mit einer Frau wie Charly an der Seite, das fühlte er jetzt, würde er
sich auch in Berlin wohlfühlen können.
»Weißt du eigentlich, was du bist?«, fragte sie plötzlich und streichelte über seine Brust. »Du bist ein Lustverzögerer.«
Er lachte. »Hört sich an wie ein Straftatbestand, lernt man solche Worte an der juristischen Fakultät?«
»Das ist keine Straftat, das ist etwas sehr Erregendes«, sagte sie.
»Willst du damit etwa andeuten, wir sollten künftig immer eine Woche Pause einlegen?«
»Nein, ganz bestimmt nicht!«
Und diesmal kamen sie direkt zur Sache.
Am nächsten Morgen war er als Erster wach. Es war schön, neben ihr aufzuwachen. Er betrachtete sie eine Weile. Wie friedlich
sie dalag. Er streichelte ihr
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