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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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übers Gesicht, leise, um sie nicht aufzuwecken. Dann stand er auf und ging ans Fenster. Regen
     prasselte auf das gewaltige Dach des Anhalter Bahnhofs. Auf dem Askanischen Platz war dennoch eine Menge los, der Pfingstreiseverkehr
     hatte begonnen. Regenschirme strömten in den Bahnhof.
    Links stieß die Möckernstraße auf die Königgrätzer Straße. Ein paar hundert Meter entfernt führte sie über den Landwehrkanal.
     Dort war Boris’ Leiche gefunden worden.
    Heute würde er diese Geschichte beenden. Alles, was er bislang zusammengetragen hatte, dem Polizeipräsidenten so gut wie möglich
     verkaufen. Dann musste Zörgiebel ihm Roeders Schreibtisch geben. Die Zeit der Heimlichkeiten wäre endlich vorbei.
    Weiche Arme schlangen sich um seine Brust. Er hatte sie gar nicht gehört. Ihr warmer Körper schmiegte sich an ihn.
    »Scheißwetter, was?«, nuschelte sie schlaftrunken.
    »Und wir haben nicht mal einen Regenschirm.«
    »Ein Wetter, um den ganzen Tag im Bett liegen zu bleiben.«
    »Ich fürchte nur, dass der liebe Wilhelm Böhm das nicht zulässt. Der hat im Moment eine Menge Arbeit zu verteilen.«
    »Einmal noch ins Bett«, quengelte sie.
    »Was hat Böhm eigentlich mit eurem alten Fall gemacht? Ist der abgeschlossen?«
    »Die Akte steht jetzt bei den nassen Fischen. Nun komm.« Sie zog ihn zurück zum Bett.
    »He!«, protestierte er. »Was soll das hier werden? Viel mehr als ein Quickie ist nicht mehr drin!«
    »Also, alle Achtung! Welch ein Wortschatz! Ich muss schon sagen, man merkt doch, dass sich ein Sittenbulle mit solchen Dingen
     auskennt …«
    Weiter kam sie nicht, er hatte ihr ein Kissen mitten ins Gesicht geworfen.
    Obwohl sie aufs Frühstück verzichteten, kamen sie zu spät in die Burg. Es war, als hätten sie die ganze Woche nachholen müssen.
     Sie trennten sich erst wieder am Bahnhof Alexanderplatz. Während sie schon zum Präsidium hinüberlief, stöberte er noch ein
     bisschen am Zeitungskiosk. Ein paar Blätter hatten über Nacht reagiert und waren auf den Zug aufgesprungen, den Weinert in
     Gang gesetzt hatte. Zu viele Journalisten hatten sich zu sehr über Zörgiebel geärgert, als dass sie diese Gelegenheit auslassen
     konnten, ihm eins auszuwischen. Rath glaubte nicht, dass auch nur ein Einziger die Information, Zörgiebel habe alle anderen
     Ermittlungen zugunsten des Falles Jänicke eingefroren, überprüft hatte. Sie hatten einfach von Weinert abgeschrieben.
    Roeders Büro betrat er nur, um seinen Mantel aufzuhängen, dann machte er sich wieder auf den Weg.
    Der Schrank der nassen Fische befand sich in der Zentralkartei für Mordsachen, die Gennat aufgebaut hatte und die er pflegte
     wie ein Baby. Deswegen hatte er sie auch in einem Raum gleich neben seinem Büro untergebracht; ein großer Raum, dessen Längswände
     komplett mit Aktenschränken zugestellt waren, in der Mitte befand sich ein Lesetisch mit acht Stühlen, den man auch für kleinere
     Besprechungen nutzen konnte. Unter dem Fenster stand der Karteischrank, darauf ein Gummibaum, der prächtig gedieh. Wahrscheinlich
     kümmerte sich Trudchen Steiner darum.
    Die Sammlung war nach Todesarten sortiert, nur ein kleiner Schrank war den unaufgeklärten Fällen vorbehalten – daraus sprach
     das ungebrochene Selbstbewusstsein der Inspektion A mit ihrer hohen Aufklärungsquote. Wie Böhm sich wohl gefühlt hatte, als
     er die Akte Möckernbrücke dort deponierte. Gern stellte kein Mordermittler etwas in diesen Schrank. Bei der Akte Wilczek wäre das etwas anderes, die
     würde Rath mit Freuden hier abliefern.
    Es war nicht nur ein Aktenordner, es waren gleich vier, die Böhm binnen zwei Wochen mit immer neuen Informationen gefüllt
     hatte.
    Ein erstaunliches Missverhältnis von Aufwand und Wirkung. Rath klemmte sich alle vier Ordner unter den Arm. Er musste sie
     schnell durcharbeiten, bis zum späten Nachmittag wollte er sich in den Fall Möckernbrücke vergraben, dann war es an der Zeit, Zörgiebel zu informieren. Während beim Abendblatt die Rotation anlief.
    Hoffentlich würde Böhm ihn heute in Ruhe lassen.
    Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Als er mit den Aktenordnern in Roeders Büro zurückkehrte, lag ein neues Papier auf dem
     Schreibtisch. Wahrscheinlich hatte Charly das gebracht. Mist, und er war nicht im Büro gewesen!
    Wieder sechs Namen. Buchstabe P diesmal. Dann hätten sie das Alphabet ja bald durch! Rath beschloss, die Namensliste zu ignorieren.
     Mit dem, was er heute vorhatte, würde er Böhm ohnehin den

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