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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Weil ein Polizeibeamter erschossen wurde und die Berliner Polizei ihre ganze Kraft auf diesen Fall konzentriert.
     Auf Ihre Weisung, Herr Polizeipräsident!
    Ein toter Polizist, das ist beklagenswert, wohl wahr! Aber gibt Ihnen das das Recht, mit zweierlei Maß zu messen? Fällt ein
     ziviles Mordopfer weniger ins Gewicht als eines in Polizeiuniform? Sind alle Menschen, die nicht für Sie arbeiten, Herr Zörgiebel,
     Menschen zweiter Klasse? Darf die Polizei Ihre Pflicht vernachlässigen und unaufgeklärte Fälle einfach liegenlassen, wenn
     einer der ihren Opfer eines Verbrechens wird?
    Weinert hatte seinen Artikel tatsächlich noch in der Abendausgabe unterbringen können. Rath legte die Zeitung zufrieden beiseite.
     Der Journalist hatte seine Sache gut gemacht. Zörgiebel sturmreif geschossen für einen Besuch: Kriminalkommissar Gereon Rath
     mit einer guten Nachricht in der Stunde der Not.
    Rath hatte sich das Acht-Uhr-Abendblatt unten im Foyer besorgt und mit aufs Zimmer genommen. Von seinem Fenster konnte er auf den Askanischen Platz und den nächtlich
     erleuchteten Anhalter Bahnhof hinausblicken. Im Excelsior hatte er auch die ersten Nächte nach seiner Ankunft aus Köln verbracht, bevor er zu Elisabeth Behnke gezogen war. Damals
     hatte der Anhalter Bahnhof unter einem Panzer aus Schnee und Eis gelegen.
    Er schaute auf die Uhr. Schon neun. Sie müsste jeden Augenblick eintreffen.
    Er ging ins Bad und schüttete sich mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht. Der Mann im Spiegel sah ein wenig abgekämpft
     aus, aber zufrieden.
    Kein Wunder, dass er müde war, der Nachmittag hatte sich nach dem Besuch im Passamt noch ganz schön in die Länge gezogen.
     Es hatte gedauert, bis Rath alle sechs Namen auf seiner Liste abgeklappert hatte. Vier Adressen hatte er mehrmals aufsuchen
     müssen, bis er endlich jemanden antraf. Gut, dass er sich einen Wagen besorgt hatte. Drei wohnten im Wedding, zwei in Friedrichshain
     und einer am Prenzlauer Berg. Keiner in Kreuzberg, wo Rath gerne noch zwei anderen Männern einen Besuch abgestattet hätte.
     Aber dazu blieb keine Zeit.
    Alle sechs Männer auf seiner Liste hatten ein Alibi für den Mittwochmorgen: Sie waren auf der Versammlung vor dem Liebknechthaus gewesen und konnten dafür jeder mindestens ein Dutzend Zeugen benennen – die ebenfalls an der Demonstration teilgenommen
     hatten. Nicht unbedingt glaubwürdig. Rath konnte sich vorstellen, dass es den Kollegen, die ebenfalls die Alibis ehemaliger
     Rotfrontkämpfer überprüften, ähnlich erging. Was sollte das bringen? Eine endlose Namensliste mit zweifelhaften Alibis. Zur
     Aufklärung des Mordes würde das wenig beitragen, und wenn Rath eines hasste, dann waren das lästige Arbeiten, deren Sinn er
     nicht erkennen konnte.
    Hoffte Böhm auf eine unbedachte Reaktion des Täters, wenn die Polizei plötzlich auftauchte und nach einem Alibi bohrte? In
     Rath keimte ein ganz anderer Verdacht: Das Überprüfen der ehemaligen Rotfrontleute geschah nur Zörgiebel zuliebe, eigentlich
     ermittelte Böhm in eine ganz andere Richtung! Leute wie Gereon Rath spielten die Deppen für den Polizeipräsidenten, und Wilhelm
     Böhm wollte sich im Glanz seines Ermittlungserfolges sonnen.
    Seinen Bericht hatte Rath kurz und lieblos verfasst. Das häufigste Wort: dito . Kein Wunder bei sechs nahezu identischen Aussagen. Wenn er in einer Arbeit keinen Sinn sah, dann erledigte er sie auch entsprechend.
    Er hatte noch an der Schreibmaschine in Roeders Vorzimmer gesessen, als Charly hereinkam, um den Bericht abzuholen. Dass sie
     den Boten spielte, ließ seine Laune wieder nach oben schnellen, auch die Aussicht auf den baldigen Feierabend mit ihr. Das Excelsior war riesengroß, solide und nicht zu teuer, also genau das Richtige. Charly hatte seiner Idee zunächst nicht viel abgewinnen
     können, als er das Zimmer telefonisch reservierte, aber da sie ihn partout nicht mit nach Hause nehmen wollte, blieb ihr keine
     andere Wahl.
    »Wir müssen unsere Beziehung bald mal auf etwas offiziellere Beine stellen, Gereon«, hatte sie gesagt, »so kann das nicht
     weitergehen. Versteckspielen im Hotel!«
    »Ob Zörgiebel uns dann noch in ein und derselben Abteilung arbeiten lässt?«
    »Dann gehe ich eben zur Inspektion G, da werde ich sowieso landen, wenn ich Polizistin werden will«, hatte sie gesagt und
     war mit seinem Bericht verschwunden.
    Dann hatte er Bruno angerufen, dass er heute nicht mit nach Friedenau fahren werde. Dass er ins Hotel

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