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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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hatte sie offenbar verwirrt. Auch schien
     ihr schlechtes Gewissen sie immer noch zu quälen.
    »Nein, ich kann eure Gastfreundschaft unmöglich länger in Anspruch nehmen. Ich bin schon viel zu lange hier.«
    Er legte seine Serviette auf den Tisch und stand auf.
    »Aber Herr Rath, Sie kommen uns doch bestimmt mal besuchen«, sagte Emmi Wolter. Ihr schien nicht entgangen zu sein, dass zwischen
     den beiden Männern eine seltsame Spannung herrschte.
    Rath sagte nichts mehr außer »Gute Nacht«, er ging nach oben und packte seine Sachen zusammen.

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    27
    S chon um kurz nach sieben stand er am nächsten Morgen im großen Foyer des Hotels Excelsior , das mit seiner üppigen Botanik stark an das Palmenhaus in Dahlem erinnerte. Noch vom Alex aus hatte er tags zuvor telefonisch
     ein Einzelzimmer reserviert, kurz bevor er nach Friedenau gefahren war. Lieber fünf Mark für die Nacht ausgeben, als auch
     nur einen Tag länger in der Fregestraße zu bleiben. Der Portier an der Rezeption begrüßte ihn freundlich und setzte eine Miene
     außerordentlichen Bedauerns auf, als er in der Reservierungsliste nachschaute.
    »Herr Rath, ich muss gestehen, wir haben noch nicht mit Ihnen gerechnet. Sie beehren uns zu einer außergewöhnlich frühen Zeit.
     Das Zimmer, das wir für Sie reserviert haben, ist noch belegt.«
    »Wenn sich schon jemand um mein Gepäck kümmern könnte.«
    »Aber selbstverständlich.« Der Portier warf einen missbilligenden Seitenblick auf Raths Pappkarton und winkte einen Boy heran.
    »Danke«, meinte Rath, als der Junge den schweren Koffer und den Karton auf einen Gepäckwagen hievte, und wandte sich dann
     wieder dem Portier zu. »Ich werde erst einmal frühstücken gehen. Schauen Sie doch bitte, was Sie in der Zwischenzeit für mich
     tun können.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte der Portier mit einem säuerlichen Lächeln.
    Wenig später saß Rath im Frühstückssaal des Excelsior . Er fühlte sich fast ein wenig zu Hause in diesem Hotel. Der Kaffee tat ihm gut.
    Er hatte die Nacht kaum schlafen können. Es war nicht einmal das Wissen, mit einem Mörder unter einem Dach zu schlafen, das
     ihn in die Dunkelheit starren ließ, es waren vielmehr seine rastlosen Gedanken, die keine Ruhe fanden, die immer wieder die
     eine Frage stellten und darauf keine Antwort fanden: Warum?
    Er hätte gestern Abend einfach gehen sollen. Direkt nach demEssen aufstehen und gehen. Aber aus unerfindlichen Gründen hatte er den Schein wahren, es nicht zum offenen Bruch kommen lassen
     wollen. Vielleicht um die letzte Hoffnung noch zu erhalten, alles könne sich noch als ein einziger großer Irrtum herausstellen.
    Um dann am frühen Morgen schon aus dem Haus zu schleichen.
    Auf dem Esstisch hatte er eine Nachricht hinterlassen, unterkühlt, aber freundlich, in der er sich noch einmal bei den Wolters
     bedankte und sein frühes Verschwinden damit erklärte, sein neues Zimmer beziehen zu wollen. Dass es sich dabei um ein Hotelzimmer
     handelte, verriet er nicht. Auf den Zettel hatte er einen Zwanzigmarkschein gelegt, Geld, das Bruno sonst niemals angenommen
     hätte, geschweige denn Emmi. Aber er wollte den Wolters nichts schuldig bleiben. Nicht einmal für das Telefongespräch, mit
     dem er ein Taxi gerufen hatte.
    So wie er vor einer Woche gekommen war, verließ er das Haus: bepackt mit einem Koffer und einem Pappkarton. Er drehte sich
     nicht einmal mehr um, als er das Taxi bestieg.
    Für das Frühstück im Excelsior ließ er sich Zeit. Eine Stunde war vergangen, als er an die Rezeption zurückkehrte. Der Portier erkannte ihn sofort.
    »Ah, Herr Rath«, sagte er. »Eine gute Nachricht! Der Schlüssel zu Ihrem Zimmer …« Er griff hinter sich und fischte ihn vom
     Haken. »… der Herr ist abgereist. Ich habe sofort veranlasst, dass das Zimmer für Sie so weit hergestellt wird, dass Sie es
     bald beziehen können.«
    »Haben Sie vielen Dank.« Offensichtlich erwartete der Portier ein Trinkgeld für seine außerordentlichen Mühen, aber Rath beschloss,
     das zu ignorieren.
    »Wenn Sie bitte schon einmal die Formalitäten …« Der Portier schob ihm ein Anmeldeformular über den Tresen.
    »Tut mir leid, aber ich habe zu tun. Wenn wir das heute Mittag erledigen könnten …« Er legte den Schlüssel auf das Formular
     und schob beides zurück.
    »Das ist zwar nicht üblich, aber bei Stammgästen können wir selbstverständlich eine Ausnahme machen.«
    Er kam gewaltig zu spät, aber er schaffte es, wenigstens noch vor

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