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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Polizeipräsidium erreichen.«
    Rath grummelte etwas Unverständliches und legte auf.
    Tatsächlich!
    In Jänickes Notizbuch stand die private Telefonnummer von Regierungsdirektor Wündisch!
    Der große Häuptling der Abteilung IA, der Chef der Politischen Polizei.
    Nicht einmal alle Inspektionsleiter in der Burg kannten diesen Privatanschluss, so weit trieb der Mann seine Geheimniskrämerei.
    Aber ein einfacher Kriminalassistent, seit wenigen Wochen erst das Abschlusszeugnis der Polizeischule in der Tasche, hatte
     diese Nummer wie selbstverständlich in seinem Notizbuch stehen.
    Nun wusste Rath, wer sich hinter W verbarg. Und er wusste auch, was SG zu bedeuten hatte: streng geheim .
    Die Politischen hatten den Frischling für ihre undurchschaubaren Zwecke rekrutiert, Wündisch persönlich hatte ihn angeworben,
     wahrscheinlich schon auf der Polizeischule in Eiche. Rath blätterte in Jänickes Notizbuch und sah seinen Verdacht bestätigt.
     Das erste Treffen mit W musste bereits im Februar stattgefunden haben: 1102/1700/W in P.
    Die Politische Polizei hatte Stephan Jänicke rekrutiert, als der noch gar nicht in der Inspektion E arbeitete. Und das konnte
     nur eines bedeuten: Sie hatten einen strebsamen und fähigen Polizeischüler ausgesucht und ihn ganz bewusst in die Inspektion
     E eingeschleust.
    Wen er dort bespitzelt hatte, war offensichtlich: seinen Chef und späteren Mörder. Rath musste an jenen Sonntag denken, an
     dem er Jänicke in ihrem Büro in der Inspektion E unerwartet angetroffen hatte. Damals hatte er den Frischling ertappt, ohne
     es zubemerken: Jänicke hatte in Wolters Schreibtisch herumgeschnüffelt.
    Blieb immer noch die eine Frage: Was zum Teufel sollte Bruno Wolter verbrochen haben, dass er für die Abteilung IA so interessant
     wurde?
    Soweit Rath wusste, hatte der Onkel keine besondere politische Neigung, zumindest keine, die weit genug ginge, um ihn zu einem
     Beobachtungsobjekt der IA zu machen. Mit seinem leicht nostalgischen Hang zu alten Kriegskameradschaften war er beileibe nicht
     der Einzige im Polizeicorps. Oder ging es gar nicht um Politik, ging es um Korruption? Die Schnüffler von der IA wurden vom
     Polizeipräsidenten gern auch für interne Ermittlungen jeglicher Art eingesetzt. Nur: Warum sollte sich Wündisch persönlich
     um die Zusammenarbeit mit Jänicke gekümmert haben, wenn es lediglich um einen bestechlichen Sittenbullen ging?
    Nein, es musste mehr dahinter stecken, und Rath wollte wissen, was. Er wollte wissen, warum Stephan Jänicke sterben musste,
     was Bruno Wolter zum Mörder gemacht hatte.
    Bevor er das Präsidium verließ, überlegte er, was er mit dem kleinen schwarzen Buch anstellen sollte. Zunächst hatte er mit
     dem Gedanken gespielt, die wichtigsten Eintragungen zu kopieren und das Original heimlich wieder in Brunos Schreibtisch zurückzulegen.
     Doch er verwarf die Idee, er musste auf Nummer sicher gehen.
    Wenn Jänickes Buch nur zufällig in Wolters privatem Schreibtisch gelandet war, was Rath nicht glauben konnte, dann würde der
     es jetzt ohnehin nicht vermissen, weil er von dessen Existenz gar nichts wusste. Und wenn Bruno Wolter etwas mit Jänickes
     Tod zu tun hatte, dann dürfte er nun, da das Ergebnis des ballistischen Gutachtens in der Burg längst die Runde gemacht hatte,
     inzwischen seine eigenen Rückschlüsse daraus gezogen haben. Nein, Rath musste das Buch als Pfand behalten. Er hätte es längst
     an Gennat übergeben, wenn das möglich wäre, doch dafür hing er selbst viel zu tief in dieser Geschichte drin. Er hatte Beweismittel
     vernichtet, als er die Projektile vertauschte!
    Rath ging nicht mehr in der Inspektion E vorbei, als er das Präsidium verließ. Er konnte der Begegnung mit Wolter zwar nicht aus dem Weg gehen, doch er wollte sie so lange wie möglich hinauszögern.
     Man kam auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Fregestraße. Bevor er sich in die Wannseebahn setzte, deponierte er das
     Buch in einem Schließfach am Potsdamer Bahnhof. Den Schlüssel steckte er in ein Kuvert der preußischen Polizei, das er sorgfältig
     verschloss und frankierte. Dann suchte er im abendlichen Gewimmel des Bahnhofs nach einem Briefkasten der Reichspost. Direkt
     am Ausgang fand er einen der dunkelblauen Kästen und ließ den Brief hineinfallen. Als er eine Viertelstunde später in Friedenau
     auf den Bahnsteig trat, holte er noch einmal tief Luft, als müsse er gleich durch eine lange Unterwasserhöhle tauchen. Und
     so ähnlich kam

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