Der nasse Fisch
sagte er, so ruhig er konnte, »dann war es vielleicht der Mörder selbst, der die Polizei
an der Nase herumführen will.«
»Das vermute ich auch, Herr Rath. Aber ich muss auf Nummer sicher gehen.« Gennat räusperte sich. »Herr Kommissar, sind Sie
damit einverstanden, dass ich Ihr Büro durchsuchen lasse?«
»Wenn Sie darauf bestehen, Herr Kriminalrat. Natürlich.«
Rath spürte einen Kloß im Hals, aber er schluckte erst, als Gennat sich ans Telefon hängte und seine Leute anforderte.
Ausgerechnet Kriminalsekretär Paul Czerwinski und Kriminalassistent Alfons Henning kamen keine Minute später durch die Tür,
Plisch und Plum, Raths ehemalige Mitarbeiter im Fall Wilczek, die jetzt für den Buddha die Laufarbeit machten. Während die
zwei Männer sein Büro durchsuchten, ließ Gennat ihn nicht aus den Augen. Rath stand am Fenster, rauchte eine Zigarette und
schaute hinaus. Er versuchte, ein bisschen beleidigt zu wirken, und glaubte, dass ihm das ganz gut gelang. Draußen fuhr ein
Stadtbahnzug vorbei, der gerade aus dem Bahnhof kam und langsam Fahrt aufnahm. In wenigen Augenblicken hätte er die Fenster
der Inspektion E erreicht. Würde Bruno denselben Zug beobachten? Welche Gedanken ihm wohl gerade durch den Kopf gingen?
Plisch und Plum brauchten keine zehn Minuten. Auch das verwaiste Büro von Erika Voss hatten sie durchsucht.
»Nichts, Herr Kriminalrat.«
Gennat nickte. »Gut.«
Es schien ihn wirklich zu freuen, Rath nicht als Mörder festnehmen zu müssen. Kein Wunder. Noch schlimmer als ein ermordeter
Bulle war ein mordender Bulle. Vielleicht war es aber auch Sympathie für den neuen Mitarbeiter. Obwohl Rath wusste, dass das
Gennat noch nie davon abgehalten hatte, seine Klienten, wie er sie liebevoll nannte, an seinen Vater weiterzureichen, der
die Strafanstalt Plötzensee leitete.
»Gut«, sagte der Buddha noch einmal. »Dann lassen wir uns noch Ihre Wohnung aufsuchen, dann sind wir fertig.«
Rath schluckte. Das auch noch.
»Man hat mir die Wohnung gerade gekündigt«, sagte er. »Ich wohne im Hotel.«
»Wir werden auch da diskret vorgehen.«
Wenig später standen die vier Kriminalbeamten im Foyer des Excelsior . Der Portier zeigte sich ausgesprochen freundlich.
»Herr Kommissar! Hätten Sie jetzt Zeit für die Formalitäten?«
»Später. Den Schlüssel bitte. Ich benötige mein Zimmer für eine kleine Besprechung.«
»Wie Sie wünschen, Herr Kommissar.« Der Portier schob denSchlüssel über den Tresen. »Zimmer 412. Soll ich Ihnen Getränke hinaufbringen lassen?«
»Das wird nicht nötig sein. Ist mein Gepäck schon oben?«
»Selbstverständlich. Ich wünsche angenehmen Aufenthalt.«
Wenig später hatten Gennats Mitarbeiter auch das Hotelzimmer durchsucht. Obwohl Rath erklärt hatte, das Zimmer noch gar nicht
betreten zu haben, durchsuchten sie nicht nur sein Gepäck, sondern auch sämtliche Schränke, die sie in dem kleinen, aber zweckmäßig
eingerichteten Raum fanden. Rath hatte sich wieder am Fenster postiert. Diesmal ging der Blick nicht zum Anhalter Bahnhof
raus, sondern in einen baumlosen Hinterhof.
»Entschuldigen Sie bitte die Umstände, Herr Kommissar«, sagte Gennat, nachdem Plisch und Plum die Suche wieder mit einem »Nichts,
Herr Kriminalrat!« abgeschlossen hatten.
»Schon gut«, beschwichtigte Rath den Buddha, der ehrlich zerknirscht wirkte, »ich wäre an Ihrer Stelle genauso verfahren.«
»Sie haben Recht. Man muss jeder Spur nachgehen, die halbwegs plausibel erscheint, selbst wenn es auf den ersten Blick noch
so abstrus wirkt. Nicht, dass Sie das trösten könnte, Herr Rath: Aber es wäre nicht das erste Mal, dass ein Polizist einen
Kollegen ermordet hat.«
Rath nickte. Wenn der Buddha wüsste, wie nah er mit diesem Satz an der Wahrheit vorbeischrammte!
Nach der erfolglosen Durchsuchung waren sie wieder das, was sie dem Portier vorgegaukelt hatten: vier Kollegen, die gemeinsam
einen Fall besprachen.
Gennat hatte sie eingeladen. Da noch keine Mittagszeit war, zu Kaffee und Kuchen ins Café Josty am nah gelegenen Potsdamer Platz. Die vorangegangene Aktion war allen immer noch ein bisschen peinlich, der Buddha versuchte,
den Betriebsfrieden wiederherzustellen. Er ließ reichlich Kuchen auffahren. Und gehaltvollen. Schon nach dem ersten Stück
spürte Rath, dass er heute auf das Mittagessen würde verzichten müssen. Czerwinski und Henning schien es ähnlich zu ergehen.
Sie alle lehnten ein weiteresKuchenstück ab, das Gennat
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