Der nasse Fisch
lag in seinem Bett!
Wie hatte das passieren können? Das Letzte, an das er sich jetzt erinnern konnte, war der Moment, in dem sie ihm das Du angeboten
hatte, nachdem sie die Rumflasche geleert hatten und bei Danziger Goldwasser angelangt waren. Sie hatten sich geküsst, das
wusste er noch. Wie es eben so Sitte war beim Brüderschafttrinken. Aber wie lange? Und wie? Und danach? Fragen, die er allesamt
nicht beantworten konnte. Die einzige Antwort war seine Zimmerwirtin, die neben ihm im Bett lag und gerade ihren üppigen Körper
in den Morgen reckte. Sie blinzelte kurz in den Tag, dann war auch sie hellwach. Sie zog sich die Decke über den Busen.
»Guten Morgen«, sagte er und vermied es, dabei sarkastisch zu klingen. So gut es eben ging.
»Guten Morgen.« Ihre Antwort kam leise, fast schüchtern. Na, wenigstens ist es auch ihr unangenehm, dachte er.
»Mein Gott!« Ihr Blick war auf den Wecker gefallen, der neun Uhr anzeigte. »So spät schon! Ich hätte längst Frühstück machen
sollen! Weinert wird sich bestimmt beschweren!«
Sie machte Anstalten aufzustehen, dabei die Bettdecke als Kleidungsersatz nutzend, bis sie merkte, dass sie auf diese Weise
Raths Männlichkeit freilegte. So verharrte sie zwischen Aufstehen und Wiederhinsetzen, als es an die Zimmertür klopfte. Schnell
war Elisabeth Behnke wieder im Bett ihres Mieters und komplett unter der Bettdecke verschwunden.
»Um Gottes willen! Das ist Weinert!«, hörte er ihr gedämpftes Flüstern.
Langsam öffnete sich die Tür, obwohl Rath weder »Herein« gerufen noch sonst ein Wort gesagt hatte. Und tatsächlich steckte
Berthold Weinert seinen neugierigen Kopf ins Zimmer.
»Guten Morgen, Langschläfer«, sagte er und zwinkerte Rath wissend zu, »kannst du mir vielleicht ein paar Mark leihen? Die
Behnke hat sich heute Morgen noch nicht sehen lassen, sonst hätt’ ich die angepumpt. Scheint krank zu sein, hat noch nicht
mal Frühstück gemacht. Aber ich muss jetzt in die Redaktion, und da kann ich nicht …«
»Bedien dich.«
Rath deutete auf sein Jackett, das ordentlich über dem Herrendiener hing. Anders als sein Hausmantel, der mit dem Pyjama ein
wirres Knäuel auf dem Boden bildete – auf halbem Weg zwischen Tür und Bett. Rath hoffte inständig, dass Weinert das nachtblaue
Nachthemd der Zimmerwirtin nicht entdeckte, das auf der anderen Seite des Bettes lag.
»Ist dein Mädchen weg?«, fragte der Journalist, während er die Innentasche nach der Geldbörse durchsuchte, und zwinkerte ihm
noch einmal zu. Die Verschwörermiene ging Rath langsam auf die Nerven. »Lass dich bloß nicht erwischen! Die Behnke passt auf
wie ein Schießhund. Ich schick meine immer am Abend nach Hause. Sicher ist sicher. Aber bei euch hat das ja bis tief in die
Nacht gedauert! Und dann noch Musik hören! Wo die Behnke doch tagsüber schon über dein Negergedudel schimpft!« Er blickte
sich um, als könne Elisabeth Behnke jeden Augenblick durch die Tür kommen, und fuhr dann im Flüsterton fort: »Vor allem solltest
du deinem Mädchen sagen, dass es beim nächsten Mal ein bisschen leiser ist. Die hat ja vielleicht gekichert! Und nicht nur
das …« Er fischte einen Zehnmarkschein aus der Geldbörse. »Nicht, dass mir das nicht gefallen hätte, aber lass so etwas bloß
niemals die Behnke hören!« Mit einem letzten Zwinkern verließ er das Zimmer.
Die Behnke war rot geworden, wie Rath feststellte, als er die Decke fortzog.
»Mein Gott, hoffentlich hat dieses Klatschmaul keine Lunte gerochen«, sagte sie.
»Hat sich nicht so angehört«, meinte Rath. »Haben Sie wirklich so viel gekichert letzte Nacht?«
»Haben wir nicht Brüderschaft getrunken?« Sie klang fast ein wenig beleidigt.
»Genau damit haben wir es wohl etwas übertrieben.«
»Wir sind erwachsene Menschen, Herr Rath! Ich meine: Gereon«, sagte sie und klang wieder so energisch, wie er sie als Zimmerwirtin
kannte. »Mir ist es genauso recht wie dir, wenn die vergangene Nacht unser Geheimnis bleibt. Aber geschehen ist geschehen.
Da müssen wir nicht plötzlich wieder so tun, als kennten wir uns nicht.«
»Entschuldige«, sagte er. Ihr Temperamentsausbruch gefiel ihm. Er merkte, wie es ihn erregte, und zog die Decke fester.
Sie stand auf. Inzwischen konnte sie offensichtlich damit leben, dass er sie nackt sah, sie tat nichts, um ihre Blöße zu verdecken.
Ihre üppigen Rundungen verstärkten seine Erregung, auch als sie schon unter dem Nachthemd verschwunden waren. Er
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