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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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offen ließ und nichts
     versprach.
    Und dann war er gestern Morgen zum ersten Mal seit Wochen ausgeruht und frisch zum Dienst erschienen.
    Wolter hatte auf Ergebnisse gedrängt, weil die Zeit knapp wurde. »Wir müssen uns beeilen mit den Verhören«, hatte er ihnen
     eingeschärft. »Die IA braucht morgen jede Menge Platz im Zellentrakt, am ersten Mai werden unsere Freunde nach Moabit verlegt,
     bis dahin sollten wir endlich etwas Verwertbares aus ihnen herausbekommen haben.«
    Und das hatten sie geschafft.
    Die Abteilung IA, die Politische Polizei, leitete die Mai-Einsätze. Und die Politischen rechneten offensichtlich mit vielen
     Verhaftungen. Die Kommunisten wollten das Demonstrationsverbot mit allen Mitteln durchbrechen, seit Tagen schon hatte ihre
     Presse agitiert. Und Polizeipräsident Zörgiebel hatte mit einem Aufruf geantwortet, den fast alle Berliner Blätter abdruckten: So soll nach dem Willen der Kommunisten in den Straßen Berlins Blut fließen , hatte er geschrieben und das Demonstrationsverbot diese Woche noch einmal bekräftigt. Ich bin entschlossen, die Staatsautorität in Berlin mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen. Welche Mittel das sein würden, war klar. In den Kasernen der Schutzpolizei herrschte Bürgerkriegsstimmung. Der Rotfrontkämpferbund
     hatte Waffen, und viele befürchteten, dass er sie auch einsetzen würde.
    Ermittlungen der Inspektion E waren da weniger wichtig. Wenn Kommunisten die Zellen am Alex füllen sollten, dann mussten die
     Pornographen raus. Wolter war sogar gebeten worden, eventuelle weitere Verhaftungen nicht vor dem Wochenende vorzunehmen.
     Das trübte Raths Erfolgserlebnis ein wenig. Trotz des Durchbruchs konnten sie die Sache nicht weiter vorantreiben und waren
     gezwungen, Däumchen zu drehen. Egal. Er hatte seinen Kollegenzeigen können, was er so draufhatte. Kriminalkommissar Gereon Rath, der Bulle aus der Provinz. Bruno hatte gestaunt. Und Frischling
     Stephan Jänicke sowieso.
    Irgendwo gab es immer eine Schwachstelle, diese Erfahrung hatte Rath schon in Köln gemacht, irgendein Stein in der Mauer des
     Schweigens saß immer locker. Und wenn man den gefunden hatte, dann wackelte auch der Rest. In diesem Fall war der Alte Fritz
     der wacklige Stein. Der alte Mann mit der Habichtnase hatte plötzlich gesungen, als Rath ihm gedroht hatte, seine Frau vorzuladen.
     Es war reiner Bluff gewesen. Rath wusste nicht, ob der alte Mann verheiratet war, er kannte nicht einmal seinen Namen. Der
     Einzige, dessen Identität sie in den vergangenen Tagen zweifelsfrei hatten feststellen können, war Johann König. Und der hatte
     seit seinen Protesten im Atelier keinen Ton mehr gesagt. Genau wie die übrige Bande. Sie schienen sich in der Grünen Minna
     abgesprochen zu haben. Jänicke hatte gepennt.
    Rath hatte einiges versucht, aber erst mit der Ehefrau-Drohung hatte er Friedrich den Großen kleingekriegt. Obwohl er keinen
     Ehering trug, hatte er dem Alten den ehrbaren Familienvater förmlich angesehen. Und einen Volltreffer gelandet. Der Mann war
     heulend zusammengebrochen. Und dann waren die Namen nur so aus ihm herausgesprudelt. Die Stenotypistin musste nur noch mitschreiben.
    Es klopfte an die Tür. Rath riss die oberste Schublade auf und fegte die Fotos vom Schreibtisch. Niemand brauchte das zu sehen.
     Ihm war das Beweismaterial, das bei der Sitte zum Alltag gehörte, immer noch peinlich. Dabei gab es Kollegen in der Inspektion
     E, die sich einen Spaß daraus machten, ihre Fotosammlungen immer dann auf den Schreibtischen auszulegen, wenn ein weibliches
     Mitglied der Kriminalpolizei ihr Büro betrat. Ganz gleich, ob die Frauen rot wurden oder einen frechen Spruch losließen, das
     Gelächter der Männer war ihnen so oder so sicher. Eines der vielen Dinge, die Rath an der Sitte hasste.
    »Herein«, rief er.
    Die Tür öffnete sich. Falscher Alarm. Es war Wolter.
    »Warum so förmlich?«, fragte Rath. »Seit wann klopfst du an?«
    Der Onkel grinste. »Hast du Damenbesuch erwartet, oder warum ist dein Schreibtisch so leer?«
    »Muss ja nicht jeder unser Beweismaterial sehen.«
    »Und Stenotypistinnen von der Inspektion A schon gar nicht, was?« Wolter lachte. »Na komm! Nicht so sauertöpfisch! Heute hast
     du allen Grund zu singen und zu jubilieren.«
    »Warum?«
    »Weil der Kalender Mittwoch, den ersten Mai anzeigt und du kein Schupo bist! Die machen heute die Drecksarbeit und kämpfen
     gegen die Kommunisten. Während wir hier in der warmen

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