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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Geschichte: Im frisch ausgehobenen Grab des ermordeten Kriminalbeamten Stephan Jänicke lag
     heute Morgen eine Leiche, und bei dieser Leiche handelte es sich um den unlängst zur Fahndung ausgeschriebenen mutmaßlichen
     Mörder Alexej Kardakow. Mit diesen Informationen und ein paar aufgewärmten Zutaten aus der Vorwoche konnte ein findiger Journalist eine ganze Titelseite füllen, dazu brauchte er keine Pressekonferenz mehr und auch nicht die Exklusivinformation eines
     indiskreten Polizeibeamten. Ohnehin zwecklos, ein Ereignis, das so viele Augenzeugen gehabt hatte, unter der Decke halten
     zu wollen, das musste auch Zörgiebel einsehen.
    Die Spurensicherung war inzwischen wieder aus dem Grab gestiegen, nun hatte Kriminalassistent Reinhold Gräf den Fotoapparat
     hinuntergewuchtet und machte einige Nahaufnahmen. Auch Gräf hatte ein Taschentuch vor sein Gesicht gebunden, zudem hielt er
     sich den Mantelkragen vor die Nase. Rath bezweifelte, dass das viel nutzte, der Kriminalassistent sah fast so bleich aus wie
     die Leiche.
    Ein ED-Mann zeigte Gennat, was er in Kardakows Jackett gefunden hatte: ein erstaunlich gut erhaltenes Kokainbriefchen, eine
     Mitgliedsnadel des Ringvereins Berolina und einen gelben Personalausweis, gültig bis 16. Mai 1929 .
    Gennat blätterte in dem Dokument. Er nahm ein Taschentuch zu Hilfe, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. »Na, da hamwer
     wohl Ihren Mörder gefunden, Herr Rath«, sagte er. »Sieht leider reichlich tot aus, der Mann. Vernehmen kann man den nicht
     mehr.«
    Rath nickte stumm und demütig. Gennat drückte den Sachverhalt noch vergleichsweise harmlos aus. Die Blicke der Kollegen vorhin
     waren gnadenloser ausgefallen. Kardakows Leiche hatte den neuen Mordermittler Gereon Rath vor der versammelten Berliner Polizei
     bis auf die Knochen blamiert. Der Mann, den Rath für einen Mörder gehalten und nach dem er eine Fahndung ausgelöst hatte,
     war augenscheinlich selbst Opfer eines Gewaltverbrechens geworden.
    »Wann soll er nochmal gemordet haben?«, fragte Gennat.
    »Vor drei Wochen etwa.«
    »Ich würde mal sagen, dass unser Mann da schon so ähnlich ausgesehen hat wie jetzt«, sagte Gennat.
    Genau dieser Gedanke ging auch Rath durch den Kopf. Kardakow war kein Mörder, er war ein Opfer. Ein Opfer desselbenMörders, der auch Boris auf dem Gewissen hatte. Das hatte er in dem Moment gewusst, als er die Leiche erkannt und die Misshandlungen
     an Händen und Füßen gesehen hatte.
    »Ich fürchte, die Fahndung war etwas voreilig, Herr Kriminalrat«, sagte er.
    Gennat nickte. »Und noch voreiliger war es, diesen Mann ohne jeden Beweis des Mordes zu verdächtigen. Mit dieser Leiche sind
     Sie noch gut bedient! Stellen Sie sich mal vor, der arme Teufel lebte noch. Wäre vielleicht nur für ein paar Wochen an die
     Ostsee gefahren, um dann bei seiner Rückkehr am Stettiner Bahnhof von der Polizei verhaftet zu werden und sein Bild in allen
     Zeitungen zu finden. So was grenzt an Rufmord! Und das hätten Sie zu verantworten gehabt, Herr Kommissar!«
    Nicht ich allein, auch der Polizeipräsident , dachte Rath. Zörgiebel hatte Gennats Proteste ignoriert, hatte die Fahndung nach Kardakow eingeleitet und war mit Raths
     Theorie an die Öffentlichkeit gegangen. Auch der Polizeipräsident hatte sich heute blamiert. Und Rath wusste jetzt schon,
     dass Zörgiebel ihm das nicht verzeihen würde.
    Er hatte sich eine ganze Menge Feinde gemacht in der Burg. Ein paar zu viel. Böhm stand hinten bei Kronberg und einigen ED-Leuten
     etwas abseits an der Friedhofsmauer. Wohl weniger, um dem Verwesungsgeruch auszuweichen – er schien sich von Rath fernzuhalten.
     Für den bin ich auch eine verwesende Leiche, dachte Rath. Genau genommen hatte er keinen einzigen Freund mehr am Alex. Der
     Letzte, den er dafür gehalten hatte, war der schlimmste von allen. Der Onkel. Bruno Wolter.
    Ein unscharfer roter Farbtupfer am Rande seines Blickfeldes ließ ihn aufschauen.
    Tatsächlich! Da kam sie!
    Charly!
    In ihrem roten Kleid stiefelte sie über den Friedhof, vorbei an den schwarzgekleideten Männern, in der einen Hand einen zugeklappten
     Regenschirm, in der anderen den Stenoblock. Rath spürte einen Stich, als er bemerkte, wie sie ihn kurz musterte unddann an ihm vorbei zu Gennat spazierte, ohne ihn noch einmal anzublicken, geschweige denn zu grüßen. Umso herzlicher begrüßte
     sie den Kriminalrat.
    »Ah, Fräulein Ritter«, sagte der Buddha und klang beinah erfreut, soweit das in dieser

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