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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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auch aufgefallen, wie schlampig Wolter die Vernehmungen
     geführt hat? Aber daraus sollte man ihm jetzt keinen Strick mehr drehen.«
    Rath nickte gedankenverloren. Er musste an seine eigenenErmittlungen im Fall Wilczek denken. Auch bei Wolter schien hinter der vermeintlichen Schlamperei ein System zu stecken. Als
     habe er die beiden Russen absichtlich davonkommen lassen.
    Das Gewitter gestern Abend hatte die Schwüle nicht vertrieben. Die feuchtwarme Luft machte die Müdigkeit noch unerträglicher.
     Rath schwitzte, obwohl er die Scheibe heruntergeklappt hatte. Gennat hatte ihn zur Observierung in die Yorckstraße geschickt.
     Ausgerechnet jetzt! Plisch und Plum hatten hämisch gegrinst, als sie sahen, wer sie da ablöste. Neben ihm saß Reinhold Gräf.
     Einer von Böhms Leuten.
    »Was haben Sie denn verbrochen, dass Sie hier sitzen müssen?«, fragte Rath den Kriminalassistenten. »Haben Sie Gennat ein
     Stück Kuchen geklaut?«
    »Ich bin Kriminalassistent. Da gehört solche Drecksarbeit zum Alltag«, meinte Gräf. »Und seit wann werden Kommissare bei Observierungen
     eingesetzt?«
    »Nur wenn sie ungezogen waren«, sagte Rath und steckte sich eine Zigarette an. Die letzte. »Ich würde Ihnen ja gerne eine
     anbieten, aber …« Er zeigte Gräf die leere Schachtel.
    »Schon gut. Ich rauche sowieso nur, wenn ich trinke.«
    »Also, einen Flachmann kann ich jetzt nicht auch noch hervorzaubern.«
    Gräf lachte. »Sie waren also ungezogen?«
    »Fragen Sie Gennat.«
    »Das wundert mich. Böhm hält Sie eher für jemanden, der den Chefs – mit Verlaub gesagt – in den Arsch kriecht.«
    Rath staunte. Alle Achtung! Ganz schön mutig der Kleine, so mit einem Kommissar zu reden. »Böhm gibt sich offensichtlich auch
     alle Mühe, dieses Gerücht in Umlauf zu bringen und in Schwung zu halten.«
    »Er hat jedenfalls keine hohe Meinung von Ihnen.«
    »Sie reden ziemlich offen über diese Dinge. Haben Sie keine Angst, Ihre Karriere zu gefährden?«
    »Ich habe es bislang immer so gehalten, offen und ehrlich mitmeinen Kollegen umzugehen, ganz gleich, ob Kriminalrat oder Stenotypistin.«
    »Das ehrt Sie.« Rath schnippte etwas Asche von seiner Zigarette. »Und wer zerreißt sich sonst noch das Maul über mich? Fräulein
     Ritter wahrscheinlich, oder?«
    »Charly? Warum sollte sie?« Gräf wirkte ernstlich überrascht. »Sie kennt Sie doch überhaupt nicht.«
    Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Schließlich schnippte Rath den Stummel seiner abgebrannten Zigarette durch
     das offene Fenster auf den Fahrdamm. Er öffnete die Tür.
    »Ich vertrete mir mal ein bisschen die Beine und besorge mir neue Zigaretten. Halten Sie so lange die Stellung.«
    »Alles klar, Herr Kommissar.« Gräf tippte an seinen Hut. »Gehen Sie nur. Deshalb sind wir ja zu zweit hier.«
    Rath ging die Straße ein Stück hinunter. Die Bewegung half besser gegen die Müdigkeit als die vielen Zigaretten, die er geraucht
     hatte. Er schaute auf die Uhr. Elf nach elf. Alaaf! Eine gute Stunde hatte er erst in diesem Auto gesessen, und es war ihm
     vorgekommen wie eine Ewigkeit. Er hatte wahrlich Besseres zu tun, als sich den Hintern in einem Dienstwagen der preußischen
     Polizei plattzusitzen. Sich Bruno Wolter endlich vorzuknöpfen zum Beispiel. Erst um achtzehn Uhr sollten sie abgelöst werden.
     Das sah nach einem langen Tag aus.
    An der nächsten Straßenkreuzung bog er rechts in die Großbeerenstraße ein. Der grüne Opel war nicht mehr zu sehen. Er fühlte
     sich gleich freier. Irgendwie hatte er das Gefühl, Gennat habe ihm Gräf als Aufpasser mitgeschickt.
    Gleich um die Ecke fand er, was er suchte: eine Filiale von Loeser und Wolff , sinnigerweise direkt neben einer Apotheke. Dunkel und gediegen empfing ihn der Tabakwarenladen. Rath musste einige Zeit
     warten, bis er an die Reihe kam, und schaute sich derweil ein paar nette Tischfeuerzeuge an. Sein Vater hatte bald Geburtstag,
     konnte nichts schaden, sich schon mal über ein Geschenk Gedanken zu machen. Der Verkäufer wirkte fast ein wenig enttäuscht,
     als Rath dann doch nur Zigaretten kaufte. Allerdings gleich mehrereSchachteln Overstolz und dazu ein Päckchen Streichhölzer, der Tag konnte noch lang werden.
    Er nahm gerade das Wechselgeld entgegen, da meinte er draußen auf dem Gehweg ein bekanntes Gesicht zu erkennen, in der Menge
     der vor dem Schaufenster vorüberströmenden Passanten.
    Die kurzen blonden Haare irritierten ihn, das Gesicht unter dem nachtblauen Hut hatte er anders

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