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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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auch noch das Papier der Gräfin ergattern und das Goldversteck aufspüren.
    Wissen ist Macht.
    Er starrte an die Zimmerdecke, als sei des Rätsels Lösung dort irgendwo zu finden. Draußen waren die ersten Geräusche der
     erwachenden Stadt zu hören. Und er lag immer noch hier und konnte nicht einschlafen, obwohl er das Kokainbriefchen nicht angerührt
     hatte. Zwischen den Bibelseiten lag es im Nachttisch. Für alle Fälle.
    Er hätte Marlow besser um ein Schlafmittel gebeten, dachte Rath noch.
    Und dann fielen ihm endlich die Augen zu.
    Er hatte nicht das Gefühl, viel geschlafen zu haben, als das Telefon ihn wieder wachklingelte.
    Die freundliche Stimme des Portiers.
    »Guten Morgen, Herr Rath. Ihr Weckruf. Es ist jetzt genau sechs Uhr dreißig.«
    Die bleierne Müdigkeit verschwand sofort, als er an den gestrigen Tag dachte. Adrenalin schoss in sein Blut. Es prickelte.
     Er brauchte kein Kokain, er brauchte eine kalte Dusche.
    Noch vor sieben war er auf der Straße und ging die Möckernstraße hinunter. Am Ufer des Landwehrkanals war die verbogene Uferbegrenzung
     inzwischen gegen eine neue ausgetauscht worden. Das frisch lackierte Metall glänzte sauber in der Morgensonne. Nur die abgeschabte
     Baumrinde erinnerte noch an den Unfall. Nachdenklich ging Rath weiter.
    In der Yorckstraße fiel ihm der grüne Opel schon von weitem auf. Gennat hatte sich offensichtlich über Selenskij informiert
     und ließ Fallins Wohnung überwachen. Ob der Buddha den engsten Freund des Toten auch schon auf die Liste der Mordverdächtigen
     gesetzt hatte?
    Plisch und Plum saßen in dem Wagen, unverkennbar, auch wenn Rath ihre Gesichter nicht sehen konnte. Kriminalsekretär Czerwinski
     war eingenickt, sein Kopf hing auf dem Lenkrad. Was Kriminalassistent Henning machte, konnte Rath nicht so genau erkennen.
     Er hielt sich im toten Winkel, bis er den Wagen erreicht hatte.
    »Morgen, die Herren«, sagte Rath und klopfte auf das grüne Blechdach. Henning fuhr herum und sah ihn mit großen Augen an.
     Czerwinski schreckte auf und stieß sich den Ellbogen, sein Hut kullerte auf Hennings Schoß.
    »Mensch, Rath, was soll’n der Scheiß?« Czerwinski klang ernsthaft empört. »Wir observieren hier einen Verdächtigen! Willst
     du, dass wir auffliegen?«
    »Ihr observiert keinen Verdächtigen, sondern seine Wohnung«, entgegnete Rath. »Wenn der Mann zu Hause wäre, hättet ihr ihn
     längst zu Gennat geschleift. Stimmt’s? Oder hab ich recht?«
    »Jedenfalls sollten wir nicht auffallen«, nölte Czerwinski. »Wäre schön, wenn du mal ein bisschen Land gewinnst.«
    »Dann solltest du aber auch aufhören zu schnarchen«, meinte Rath und verabschiedete sich mit einem letzten Klopfen aufs Wagendach.
    An der Möckernbrücke stieg er in die Bahn und fuhr zum Luisenufer.
    »Wat wollense denn noch, Herr Kommissar?«, fragte Hermann Schäffner, als er die Tür öffnete, die Serviette vom Frühstück noch
     um den Hals gebunden. »Hamse mir nich schon jenuch jefracht, Sie un Ihre Kollejen?«
    »Nur eine Frage noch«, meinte Rath. »Wann ist denn die Wohnung im Hinterhaus wieder zu vermieten?«
    Schäffner schaute ihn erstaunt an. »Na, wenn Ihre Kollejen da bald mal zu Potte kommen, hoffenwa mal ab Montach.«
    »Ich nehme nicht an, dass Sie schon einen neuen Mieter haben?«
    »Wieso?« Schäffner schien immer noch nicht zu verstehen.
    »Was hat denn Herr Müller beziehungsweise Herr Selenskij so an Miete bezahlt?«
    »Nich ville. Fuffzehn Märker die Woche. Is det wichtich?«
    »Möbliert?«
    »Sicher.«
    »Gut. Ich nehme die Wohnung.« Rath streckte Hermann Schäffner die Hand entgegen, und der schlug verdutzt ein.
    »Ich will Sie dann auch nicht länger aufhalten, Sie haben bestimmt zu tun. Wir sehen uns am Montag.«
    Rath tippte an seinen Hut. Er hatte schon kehrtgemacht, da blieb er plötzlich stehen.
    »Ach«, meinte er und drehte sich noch einmal zu Schäffner um. Der Hauswart glotzte durch den Türspalt wie ein Kaninchen durch
     den Maschendraht. »Eine Frage noch: Ist Ihnen inzwischen eingefallen, wo Sturmhauptführer Röllecke wohnen könnte?«
    Natürlich war es Schäffner nicht eingefallen. Wenigstens hatte der Mann nach einigem Überlegen gesagt, dass Röllecke wohl
     aus Steglitz komme, genau wisse er das aber nicht.
    Immerhin ein Anhaltspunkt, dachte Rath, als er kurz darauf im Passamt in der Burg die Adresse heraussuchen ließ. Diesmal war
     er nicht an den alten Griesgram geraten, sondern an eine junge, hilfsbereite Frau, die

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