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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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ihm mit einem Lächeln alle Karteien
     herbeischaffte, die er brauchte. So viele Rölleckes waren in Steglitz gar nicht gemeldet, einer schrieb sich mit einfachem
     K, und zwei waren jünger als dreißig, die stellte Rath erst mal hinten an. Blieb ein Heinrich Röllecke übrig, wohnhaft in
     der Ahornstraße. Einundvierzig Jahre alt, wahrscheinlich also Kriegsteilnehmer. So stellte sich Rath einen Sturmhauptführer
     der SA vor: einer, der es nicht lassen konnte und weiter Soldat spielen musste. Er notierte die Adresse und ging in die Registratur.
    Dort suchte er die alte Akte Selenskij/Fallin, die Böhm vor einer Woche schon mal durchgegangen war, als er die beiden Russen
     im Vernehmungszimmer sitzen hatte. Die Vorstrafen hatten der Bulldogge offenbar nicht ausgereicht, die beiden länger festzuhalten.
    Nun war Selenskij tot. Und Fallin verschwunden.
    »Tut mir leid, Herr Kommissar!« Die Registraturmitarbeiterin kam zurück. Nicht so jung wie die im Passamt, aber ebenso freundlich.
     »Die Akte ist nicht an ihrem Platz.«
    »Hat Böhm sie etwa immer noch?«
    Die Frau schaute in die Karteikarte, die sie mitgenommen hatte. »Nein, die ist gestern Abend erst wieder angefordert worden,
     da hat der Kollege sie rausgegeben.«
    Die Akte lag bei Gennat.
    Dann würde er wohl mit dem Buddha sprechen müssen, obwohl ihm eher danach zumute war, sich in sein Büro zu verkriechen und
     in Akten zu wühlen. Konnte nicht schaden, etwas Interesse an der Arbeit der anderen zu heucheln. Wenigstens würde er dann
     nicht wie ein Einzelkämpfer wirken.
    »Morgen, Herr Kommissar«, begrüßte ihn der Buddha. »Heute schon in der Yorckstraße gewesen?«
    Plisch und Plum hatten also gepetzt.
    Rath nickte. »Wollte Fallin überprüfen. Aber die Wohnung wird ja bereits observiert.«
    »Dass wir auch Selenskijs Freund im Fall Kardakow verhört haben, das hätten Sie mir gestern mitteilen müssen«, sagte Gennat.
     »So hab ich’s erst mit einiger Verspätung von Oberkommissar Böhm erfahren.«
    »Tut mir leid, Herr Kriminalrat, mir ist es auch nicht sofort eingefallen«, log Rath. »Oberkommissar Böhm hat die beiden damals
     verhört, nicht ich.«
    »Lassen Sie Ihre Spitzen gegen Böhm, der tut seine Pflicht mindestens so gewissenhaft wie Sie! Wegen Ihres Versäumnisses haben
     wir bei der Fahndung nach Fallin wertvolle Zeit verloren!«
    »Jawohl, Herr Kriminalrat.«
    »Gut, ich hoffe, Sie nehmen sich das zu Herzen. Und jetzt gehen Sie an Ihre Arbeit. In einer Stunde Besprechung in meinem
     Büro.«
    Rath räusperte sich.
    »Was ist denn noch?«
    »Dürfte ich Herrn Kriminalrat um die Akte Selenskij/Fallin bitten?«
    12. Februar 1926.
    Rath las die Akte in seinem Büro, in dem ihn heute nicht einmal Erika Voss störte. Die beiden Russen waren an jenem Tag in
     eine Schlägerei mit Kommunisten geraten. Und dabei hatten sie etwas zu gründlich zugelangt. Einer der Roten saß seitdem im
     Rollstuhl, dem anderen hatte man einen Arm abnehmen müssen. Selenskij und Fallin hatten zugegeben, an der Schlägerei beteiligt
     gewesen zu sein, aber bestritten, an den schlimmen Verletzungen Schuld zu tragen, und waren daher mit einem milden Urteil
     davongekommen. Kein Wunder, dass Böhm die Akte wieder weggestellt hatte. Ehemalige zaristische Geheimpolizisten, die Rote
     verprügelten, machten sich wirklich nicht verdächtig, einer kommunistischen Splittergruppe anzugehören.
    Aber sie machten sich durchaus verdächtig, im Namen des Schwarzen Hundert Landsleute zu verschleppen, zu foltern und umzubringen.
    Rath blätterte sämtliche polizeilichen Vernehmungen in dem Fall durch, die in der Akte abgeheftet waren, und die schienen
     alle das Urteil des Richters zu stützen.
    Erst die Unterschrift unter den Vernehmungsprotokollen machte ihn stutzig.
    Und zwar, weil er sie kannte.
    Kurz darauf saß Rath wie auf heißen Kohlen in der Besprechung. Die brachte wie erwartet keine besonderen neuen Erkenntnisse.
     Selenskij war zwar nach der Zeugenaussage des Schuljungen dringend tatverdächtig, aber leider auch tot. Die Fahndung nach
     Fallin hatte noch nichts gebracht, ebenso wenig die Durchkämmung der Fichtenwälder, die immer noch mit großem Aufwand lief.
     Ganz zu schweigen von den Nachforschungen in der Berolina . Die Leute des roten Hugo, sonst immer gut für einen Tipp, hielten dicht, wenn man ihnen selbst ans Leder wollte. Es fiel
     Rath schwer, richtig zuzuhören und seinen Bericht von der ergebnislosen Durchsuchung des Delphi vorzutragen. Immerhin,

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