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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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dominierten Raum. Rath lehnte an der Bar und hatte sich gerade eine Overstolz in den Mundwinkel gesteckt, um
     seinen Teil zu der verräucherten Atmosphäre beizutragen.
    »Wir sind doch nicht verheiratet«, nuschelte er beim Anzünden.
    »Kann ja noch werden.«
    Er durfte hier nicht allzu sehr auf den Putz hauen. Das war Brunos Revier. Er war der Neue, er musste aufpassen. Dass er hier
     auf eigene Rechnung ermittelte, verstieß gegen jede Dienstvorschrift. Noch mehr, dass er Informationen zurückhielt.
    »Gloria-Schatz?« Er versuchte es mit etwas mehr Charme und lehnte sich lächelnd an die Theke.
    »Ja?« Sie ließ sich beim Bierzapfen nicht stören. Ihre langen Fingernägel wirkten wie Raubtierkrallen, als sie das Glas einem
     Mann hinstellte, der stark angeheitert ein »Danke, meine Guudsde« sächselte und sie verliebt anschaute. Ein Tourist, der offensichtlich
     keine Ahnung hatte, dass er mit einem Mann sprach.
    Gloria ließ ihn stehen und kam zurück an Raths Platz. Ihre Halsketten strichen über seinen Handrücken, als sie sich zu ihm
     beugte.
    »Schön, dass du dich mal wieder hier sehen lässt. Gutaussehende Bullen gibt es ja nicht allzu viele.«
    Er hielt ihr seine Zigarettenschachtel hin.
    »Lust auf eine Zigarettenpause?«
    Sie griff zu mit ihren Raubtierkrallen.
    »Immer. Wenn du etwas mit mir trinkst.«
    Kurz darauf standen zwei Gläser und eine Flasche Whisky vor ihnen auf einem Tisch, weit genug entfernt von der Musikkapelle,
     dass man sich unterhalten konnte. Gloria hatte großzügig eingeschenkt.
    »Also, dann rück mal raus mit der Sprache«, sagte sie. »Warum bietet mir ein Bulle eine Zigarette an und gibt mir einen aus?
     Doch sicher nicht wegen meiner schönen blauen Augen.«
    Sie klapperte mit den falschen Wimpern.
    »Du hast es erfasst, meine Liebe!« Er prostete ihr zu. Sie tranken. »Obwohl du wirklich schöne Augen hast.«
    Er zeigte ihr das Foto.
    »Der muss hier öfter auftauchen.«
    Sie schaute sich das weiche Gesicht Kardakows an und zog an der Zigarette. Sie blies den Rauch durch die Nase und nickte.
    »Stimmt. Ein Russe, nicht wahr? Ein hübscher Kerl. Ihr habt ihn doch hoffentlich nicht weggesperrt? Das wäre zu schade.«
    »Keine Angst. Im Moment suche ich ihn nur, weil ich etwas über einen seiner Freunde in Erfahrung bringen will.«
    »Er hat nichts auf dem Kerbholz?«
    »Wenn man davon absieht, dass er mit Kokain handelt.«
    »Ach, das ist es.« Ihre Stimme wurde kälter. Sie schaute erst ihn an und dann das Foto. Er spürte, dass sie eine Falle witterte.
    »Nein, versteh mich nicht falsch. Das interessiert mich überhaupt nicht. Nur insofern, dass ich ihn darüber vielleicht finden
     kann.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er hier Schnee verkauft. Der Chef duldet so was nicht.«
    »Kann aber sein, dass er hier Kundschaft findet, oder?«
    Sie zuckte die Achseln und goss die Gläser noch einmal voll. Dabei beugte sie sich nah zu ihm.
    »Was ich dir jetzt erzähle, das erzähle ich dir nur, weil das ohnehin jeder Bulle in Berlin weiß. Betrachte es als eine Art
     Nachhilfe für Provinzbullen.«
    »Okay, wenn du Bruno nicht verrätst, dass ich Nachhilfe brauche.«
    Sie lachte.
    »Also, pass auf: Wenn hier einer in der Stadt Kokain verkauft, dann kannst du davon ausgehen, dass Dr. Mabuse seine Finger
     im Spiel hat…«
    »Der aus dem Kino? Was soll denn der Blödsinn? Dr. Mabuse!«
    »Nenn ihn bloß nicht so, er heißt eigentlich Johann Marlow. Und frage mich nicht, woher er seinen Doktortitel hat. Wahrscheinlich
     gekauft. Wie er auch euch Bullen einkauft. Ganz gleich, in welche schmutzigen Geschäfte er verwickelt ist, seine Weste bleibt
     immer sauber. Der kennt Plötzensee nur von außen. Wenn er da vor dem großen Tor wartet, um einen seiner Männer abzuholen.«
    »Und was willst du mir damit sagen?«
    »Dein Freund hier …«, sie zeigte auf das Foto, »… der wird nicht nur von euch Bullen vermisst. Auch Dr. M. hat Sehnsucht nach
     ihm und lässt ihn suchen. Ein paar Männer von der Berolina waren schon hier. Vor ein paar Tagen. Hatten ein ganz ähnliches Foto.«
    »Die Berolina ?« Rath pfiff leise durch die Zähne. Die Berolina war einer der ältesten Ringvereine Berlins, da galt der Ehrenkodex noch etwas. Mord war tabu. Über Schlägertruppen und Zuhälterbanden
     wie Norden oder Immertreu , die beiden Ringvereine, die der Polizeipräsident nach dem Blutbad in der Breslauer Straße verboten hatte, rümpfte man bei
     der Berolina nur die Nase.
    »Marlow ist

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