Der nasse Fisch
im Vertrauen erzählt. Ein Freund von Bruno ist auch mein Freund.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich.«
»Oh!« Wenn er lächelte, glich er einer Hyäne. »Es geht hier nicht nur um Vertrauen, junger Freund, es geht um Kameradschaft.
Wissen Sie, dem Deutschen Reich sind nicht mehr als hunderttausend Soldaten erlaubt. Lächerlich! Aber es gibt viele Männer,
die gute Soldaten sind, auch wenn sie kein Feldgrau tragen. Deutschland braucht gute Soldaten, und ein guter Polizist ist
immer auch ein guter Soldat. Polizei und Reichswehr sollten zusammenhalten, wenn es um Deutschland geht.«
»Ich glaube, da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Polizist und Soldat, das sind für mich immer noch zwei sehr unterschiedliche
Dinge. Und ich muss es wissen, ich war beides schon einmal.« Langsam war es an der Zeit, diesem Offizier die Meinung zu sagen.
Rath hatte sich das bislang verkniffen, weil er Seegers’ Verschwörungstheorie zu Ende hören wollte. »Ich bin Polizist geworden,
weil ich für Recht und Ordnung und für sichere Straßen sorgen möchte, und nicht um Soldat zu spielen oder Krieg. Und schon
gar nicht Bürgerkrieg.«
Seegers hob beschwichtigend die Hände. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, junger Freund. Niemand will Krieg. Aber Deutschland
hat viele Feinde, und wenn die den Krieg wollen, dann sollten wir gewappnet sein. Und ich bin mir sicher, wenn das Vaterland
zu den Waffen ruft, dann werden auch Sie diesen Ruf hören. Einmal Soldat, immer Soldat. Sie sind Soldat, mein Freund, Sie
können das nicht verleugnen. Und wir brauchen Leute wie Sie!«
Rath war froh, als er im Nebenraum Stephan Jänicke entdeckte. »Sie entschuldigen mich«, sagte er zu Seegers, »aber ich muss
da gerade einen Kollegen begrüßen.«
»Schon gut«, rief ihm Seegers hinterher. »Denken Sie einfach mal darüber nach.«
Rath ging zu dem Frischling, der ein wenig verloren mit seinem Glas im Raum stand.
»Hallo Gereon!« Jänicke wirkte erleichtert, ihn zu sehen.
Rath prostete ihm zu. »Unser lieber Bruno scheint ja sehr an seiner Militärzeit zu hängen.«
»Ja, ’ne ganze Menge Soldaten. Oder wenigstens ehemalige Soldaten«, meinte Jänicke. »Scheint an seinem Alter zu liegen.«
»Nur alte Kameraden, da passen wir nicht ganz hin, fürchte ich.«
» Du warst doch Soldat, Gereon.« Fast klang es, als würde Jänicke es bedauern, nicht im Krieg gewesen zu sein.
»Ich hab die Grundausbildung mitgemacht, und dann war Ende. Glück gehabt.«
Emmi Wolter ging mit einem Tablett herum. Rath griff ein gefülltes Ei.
»Wo warst du denn die ganze Zeit?«, fragte er. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Hätten fast das Vermisstendezernat eingeschaltet.
Hast dich doch nicht verlaufen?«
Jänicke wirkte verlegen. »Nicht so leicht, in diesem Haus die Toilette zu finden«, sagte er. »Unten war besetzt, da bin ich
die Treppe rauf.«
Emmi Wolter lachte, die Eier auf dem Tablett wackelten. »Stellen Sie sich vor, ich habe Herrn Jänicke gefunden, wie er oben
hilflos durch die Dunkelheit tappte und nach Licht suchte! Dabei war das Bad gleich hinter der nächsten Tür!« Die Hausherrin
fand das amüsant. Jänicke lief rot an.
»Na ja, die Wohnung ist aber auch wirklich ziemlich groß.«
»Ja, wir haben sogar zwei Badezimmer!« Emmi Wolter sagte das nicht ohne Stolz.
»Da ist die Wahrscheinlichkeit, eines zu finden, ja umso größer«, meinte Rath.
Die Hausherrin kicherte. »Bruno hat mir erzählt, dass Sie ein Lustiger sind. Ich hoffe, Sie amüsieren sich.« Sie senkte ihre
Stimme. »Brunos Freunde erzählen mir manchmal ein bisschen zu viel vom Krieg.«
»Ach, das ist schon in Ordnung«, sagte Rath. »Wir fühlen uns hier sehr wohl.«
»Wenn Sie sich mit einem Kollegen unterhalten wollen: Den Rudi Scheer lädt Bruno auch immer ein. Der einzige Polizist, der
regelmäßig kommt, schon seit Jahren. Die anderen Kollegen wechseln häufiger, aber zu Rudi hat er immer noch einen guten Draht.«
Scheer? In der Inspektion E gab es niemanden, der so hieß. Sie musste sein fragendes Gesicht bemerkt haben.
»Der betreut die Waffenkammer«, fuhr sie fort, »die beiden haben früher mal zusammengearbeitet. Soll ich Sie miteinander bekannt
machen?«
Die Waffenkammer. Parabellum-Wolter. Natürlich. Er hatte Bruno immer noch nicht gefragt, wie es ihn, den Scharfschützen, eigentlich
zur Sitte verschlagen hatte.
»Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich fürchte, dafür fehlt mir die Zeit. Ich wollte ohnehin
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