Der nasse Fisch
stellte eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser auf den Tisch. Rath trank einen Schluck
und schob Krajewski dann die Fotos über den Tisch, die er jeden Morgen einsteckte.
»Vielleicht kannst du mir noch einen Gefallen tun«, sagte er. »Kennst du einen von denen?«
Krajewski ergriff das Bild des Toten. »Der war in der Zeitung, richtig?«
Rath nickte.
»Keine Ahnung, sonst nie gesehen.«
»Und der?« Rath deutete auf das Foto Kardakows.
»Hmm…« Krajewski zog die Stirn in Falten. »Kommt mir bekannt vor. Wat soll’n der jemacht ha’m?«
»Koks«, sagte Rath, »der verkauft Koks.«
Krajewski schüttelte den Kopf. »Nee, dann kenn ick den doch nich. Meinte wohl ’nen andern.« Er gab Rath die Bilder zurück
und trank sein Glas leer. »Und wer zahlt nu? Ick muss doch wissen, ob ick noch wat bestell.«
»Du kannst es dir aussuchen: Soll ich dir einen Gefallen tun, oder soll ich die Rechnung bezahlen?«
Krajewski überlegte nur kurz. »Dann lieber den Jefallen.«
»Gut.« Rath erhob sich und setzte seinen Hut auf. »Nur ein kleiner Tipp: Bleib am Wochenende zu Hause.«
Irgendetwas hatte ihn erwischt. Ohne zu wissen, wie es geschehen war, fand er sich auf dem Boden wieder, alle Knochen taten
ihmweh. Er hatte das Gefühl, von einem D-Zug überfahren worden zu sein, doch die fuhren nicht in der ersten Etage des Polizeipräsidiums.
Offensichtlich war es ein Mensch.
»Können Sie nicht aufpassen!«
Die Stimme kannte er. Das war schlimmer als ein D-Zug. Rath schaute auf.
Richtig! Oberkommissar Böhm.
Der Mordermittler stand immer noch stabil wie eine deutsche Eiche auf dem grauen Steinboden, Rath dagegen hatte es langgelegt.
Beinah wäre er die Treppe, die er gerade heraufgekommen war, wieder hinuntergefallen. Er hielt sich die schmerzende Schulter.
Zugegeben, er war etwas schnell die Treppen im Präsidium hochgeeilt, ein wenig euphorisch halt. Der Tipp von Krajewski hatte
seine Schritte beflügelt. Kam genau zur richtigen Zeit. Passte gut in ihre Pläne für Samstag. Er spürte, es würde ein guter
Tag für ihn werden. Und dann das. Er war schon oben auf dem Treppenabsatz, da hatte ihn die Tür, die vom Treppenhaus auf den
Gang führte, fast aus den Schuhen gehauen, dass er rücklings auf dem Boden gelandet war.
»Wo haben Sie denn Ihre Augen, Mann! Sie hätten mich ja beinah über den Haufen gerannt!«
Rath sagte nichts. Der Hut war ihm vom Kopf gerollt, die Fotos aus der Tasche gefallen, er sammelte alles wieder ein.
»Wollen Sie mir vielleicht etwas sagen, Herr Kollege?« fragte Böhm. Er kniff die Augen zusammen.
Rath rappelte sich wieder hoch und setzte den Hut auf. »Ich? Aber mit Verlaub, Herr Oberkommissar, Sie sollten sich entschuldigen«, sagte er. Er hatte sich entschlossen, zum Gegenangriff überzugehen. Bei allem gebotenen Respekt.
Böhm schien ihm gar nicht zugehört zu haben. »Wenn Sie etwas über diesen Toten wissen, den Sie da gerade in die Tasche gesteckt
haben, dann sollten Sie mir das mitteilen«, sagte er nur.
Rath strich seinen Anzug glatt und schwieg.
»Vielleicht können Sie damit anfangen und mir sagen, wer die andere Person ist, die mich da gerade angeguckt hat.«
Der Mistkerl hatte Kardakow gesehen. Ob er auch wusste, dass Charlotte ihn am Landwehrkanal getroffen hatte? Rath musste aufpassen,
dass Böhm nicht allzu misstrauisch wurde. Nicht so einfach bei einem Kollegen. Misstrauen gehörte zum Berufsprofil eines Bullen,
und Böhm schien das wandelnde Misstrauen zu sein.
»Ermittlungen der Inspektion E«, sagte er. »Ein Kokainhändler, der möglicherweise mit einem Pornoring in Zusammenhang steht.«
Das war die Verbindung, die er sich zurechtgelegt hatte, wenn er erklären musste, warum er in einem Fall ermittelt hatte,
der gar nicht in sein Aufgabengebiet passte. Die Lösung für den Mord am Landwehrkanal sozusagen als Nebenprodukt ihrer Pornographieermittlungen.
Über das Koks ließen sich da immer Zusammenhänge herstellen. Oder zumindest konstruieren. »Auch wir haben zu tun«, fuhr er
fort. »Sie müssen nicht glauben, dass sich alle darum reißen, der Mordinspektion zu helfen.« Er holte das Bild von Boris aus
der Tasche. Immer schön offensiv rangehen. »Ich kenne Kollegen, die dieses Foto weggeworfen haben. Sie sollten froh sein,
dass ich die Inspektion A noch unterstütze.«
Böhm schaute noch eine Spur brummiger drein.
»Schön«, sagte er schließlich. »aber meine Freude hält sich in Grenzen, wenn Sie dieses Foto nur
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