Der nasse Fisch
mit sich herumtragen, ohne
dass ich auch etwas von Ihnen höre. Lassen Sie mich eines klarstellen: Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann sollten Sie
es mir auch sagen. Ich mag es nicht, wenn man mir ins Handwerk pfuscht!«
Rath zog ungerührt eine Overstolz aus der Schachtel. Jetzt einfach lässig bleiben. Das Ekel konnte unmöglich etwas wissen.
Böhm nutzte nur jede Gelegenheit, die er fand, um Untergebene anzuschnauzen.
»Habe ich mich klar ausgedrückt, Herr Kommissar?«
»Überaus klar, Herr Oberkommissar!« Rath steckte die Zigarette an und inhalierte tief. Er stieß den Rauch erst aus, als Böhm
an ihm vorbei war und die Treppe hinunterpolterte.
Sie war froh, heute etwas früher gehen zu können. Die Stimmung in der Mordinspektion war nicht die beste. Böhm kam keinen
Schritt voran, seine Laune wurde zusehends schlechter. Und das lag nicht am Feiertagsdienst. Wie er vorhin aus dem Büro gestürmt
war! Wie eine Dampfwalze. Sie wusste, dass ihr Chef manchmal cholerisch wirkte, aber eigentlich kam sie gut zurecht mit ihm,
er akzeptierte sie, und das rechnete sie ihm hoch an. Doch im Moment war mit ihm nicht gut Kirschen essen. Jetzt, wo er draußen
war, hatte sich die Stimmung gleich entspannt. Gräf, der hinter seinem Schreibtisch gehockt hatte, als ducke er sich vor Schlägen,
richtete sich auf und atmete durch.
Sie dachte an den Abend. Das grüne Kleid wollte sie nicht anziehen. Das brachte Unglück. Wieder ein Donnerstag. Vor genau
einer Woche war ihr letztes Rendezvous grandios gescheitert. Gestern war sie das erste Mal seit dem abgebrochenen Abend im Moka Efti wieder ausgegangen. Mit Greta. Den ganzen Abend hatten sie über Männer gesprochen und waren sich einig: Auf Kerle, die einen
nicht als arbeitende Frauen akzeptierten, sollte man sich gar nicht erst einlassen. Dass sie bereits die nächste Verabredung
eingegangen war, hatte sie Greta nicht verraten. Sie hatte ihr überhaupt noch nichts von dem Neuen im Präsidium erzählt. Wahrscheinlich
hatte sie sich geschämt, dass sie sich nach dem Reinfall im Efti schon wieder mit einem Mann traf. Und dann noch mit einem aus der Burg. Aber Greta musste schließlich nicht alles wissen.
Es war gut, dass er schon seit einer Viertelstunde hier war und früh genug Karten gekauft hatte. Es schien voll zu werden
im Phoebus-Palast , fast als wollten die Menschenmassen seine Telefonlüge, die angeblichen Schwierigkeiten, Karten zu bekommen, bestätigen.
Während die Menschen ins Kino drängten, stand Rath an den Schaukästen und betrachtete die Werbefotos. Gustav Fröhlich als
Schupo und eine Frau, die ihn ein wenig an Charlotte erinnerte, nur dass die hier viel aufgedonnerter daherkam. Aber so war
das eben im Film, da legten ja sogar die Männer Lippenstift an. Selbstwenn sie einen Schupo spielten. Er musste schmunzeln, als er sich die abgebrühten Schupos vom Alex mit rotgemalten Lippen
vorstellte.
Asphalt hieß der Film. Ein Polizistendrama. Das passte ja. Er hatte noch gar nicht gewusst, was überhaupt lief, als er Charlotte
vor drei Tagen ins Kino eingeladen hatte. Der Phoebus-Palast hatte sich allein wegen seiner Nähe zum Europa-Pavillon angeboten. Beide waren im großen Neubaukomplex des Europahauses untergebracht. Umso besser, dass es ein Film mit Polizisten
war. Obwohl es mehr nach Liebesschmonzette als nach Kriminalfilm aussah. Unruhig schaute er auf die Uhr. In fünf Minuten fing
der Film an, doch von ihr war noch nichts zu sehen.
Der Rummel um ihn herum wurde immer lebhafter. Im Europahaus waren außer dem Kino auch mehrere Restaurants, Cafés und Tanzdielen unter einem Dach untergebracht. Fast wie im Haus Vaterland , nur dass hier weniger Nepp herrschte, weil verschiedene Gastronomen miteinander konkurrierten, während im Vaterland alles aus einer Hand kam. Ein Hochhaus sollte den Komplex am Anhalter Bahnhof auch noch krönen, doch das gab es vorerst nur
auf dem Papier. Erst vor kurzem hatte die Baupolizei nach langem Hin und Her die Baugenehmigung erteilt, nachdem der Architekt
die Zahl der Stockwerke auf zehn reduziert hatte.
Unten in den fertiggestellten Gebäudeteilen herrschte bereits Hochbetrieb. Das Europahaus hatte den Ruf, urban und großstädtisch zu sein, und war entsprechend beliebt bei den Berlinern, die alles begrüßten, was
den Ruf ihrer Stadt als moderne Weltstadt untermauerte.
Da sah er sie. Auf der anderen Seite der Königgrätzer Straße stieg sie aus einem Taxi. Sie trug einen
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