Der nasse Fisch
Idee?«
»Natürlich nicht. Das kommt von Zörgiebel persönlich. Der will bald Ergebnisse sehen, und da können solche Massenaktionen
manchmal helfen. Obwohl der Presseaufruf bislang ein Reinfall war. Und dabei sind immerhin 500 Mark Belohnung aus der Staatskasse
für Hinweise ausgesetzt.«
»So gehen die Sozis mit unseren Steuergeldern um.«
»Dann sind Sie wohl kein Sozialdemokrat?«
Er schüttelte sich. »Kommen Sie mir bloß nicht mit Politik. Bei der IA zu arbeiten, das ist das Einzige, was noch schlimmer
ist als die Sitte. Die beschnüffeln ja sogar die eigenen Kollegen.«
Der Kellner räumte das Essen ab.
»Ich habe mich noch gar nicht für die Einladung bedankt«, sagte sie und holte eine Juno aus der Schachtel.
Er gab ihr Feuer und schaute ihr dabei kurz in die Augen. Sie spürte ein kleines Kribbeln.
»Vielen Dank für Ihre Gesellschaft«, sagte er und zündete sich selbst eine Zigarette an. »Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen,aber Sie sind die netteste Kollegin, die ich bislang in der Burg getroffen habe.«
»Na, dieser Wettbewerb ist im Moment leicht zu gewinnen. Sie gehören da nicht gerade zu den beliebtesten Kollegen. Man erzählt
sich, Sie seien Zörgiebel in den Allerwertesten gekrochen, und deswegen würde der PP Sie protegieren.«
»Protegieren? Soll das ein Witz sein? Arbeite ich deshalb bei der Sitte?«
Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich sage nur, was in der Kantine so erzählt wird. Dieses Gerücht dürfte Lanke in
die Welt gesetzt haben. Der wollte nämlich eigentlich seinen Neffen zurück zum Alex holen und auf den Stuhl setzen, auf dem
Sie jetzt sitzen. Sie sind schuld, dass der nun vorerst weiter im Kriminalamt Köpenick schmort.«
»Köpenick? In Ungnade gefallen?«
»Ich denke, der junge Lanke ist noch nie wirklich in Gnade gefallen. Der kam vor fünf Jahren frisch von der Polizeischule
zum Alex und hat gleich Mist gebaut. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen, und Lanke wollte ihn zurückholen. Er war
sich mit Dörrzwiebel schon einig. Und dann kamen Sie.«
»Davon hat mir ja nicht einmal Bruno was erzählt.«
»Wolter? Natürlich nicht. In der Burg erfahren Sie alles. Nur nicht, wenn es um Sie selbst geht. Aber glauben Sie mir: Wolter
ist froh, dass der Kelch Lanke junior an ihm vorübergegangen ist. Der muss Sie doch mit offenen Armen aufgenommen haben, oder?«
»Und warum erzählen Sie mir das alles?«
Schon während des Essens hatte er das Orchester beobachtet, das eine Etage tiefer spielte. Keine Sängerin. Den ganzen Abend
noch nicht. Wenn jemand sang, dann Ilja Tretschkow selbst. Trompete spielen konnte er besser. Der Bandleader schien sich von
Lana Nikoros getrennt zu haben. Oder sie von der Band. Das wollte er Tretschkow wenigstens noch fragen.
Gleich nach dem Essen hatte er Charlotte aufs Parkett geführt. Sie tanzte gut. Die Blicke in ihre Augen verwirrten ihn. Er
musste aufpassen, dass er nicht vergaß, warum er hier war. Warum er auch hier war. Über zwei Stunden waren sie schon im Europa-Pavillon , und die Band hatte die ganze Zeit ununterbrochen gespielt, jetzt erst machte sie die erste Pause. Die Tänzer applaudierten,
als sich die Musiker verbeugten. Ein Stehgeiger überbrückte die Musikpause mit ein paar Schnulzen. Kein Mensch beachtete ihn.
Tretschkows Musiker, die geschlossen zur Bar gingen, fanden mehr Beachtung.
Er führte Charlotte zurück an ihren Tisch. Die Champagnerflasche im Kühler war fast leer. Er winkte den Kellner heran und
bestellte noch eine.
Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, entschuldigte er sich kurz und verschwand in Richtung Toiletten. Kurz vor der Toilettentür
schwenkte er zur Bar. Das konnte sie nicht mehr sehen, trotz ihres günstigen Platzes auf der Galerie.
Ilja Tretschkow saß mit seinen Musikern an einem Tisch, vor sich ein großes Bier, das er schon halb leergetrunken hatte. Rath
hatte seine Marke dabei und zeigte sie. Aber diskret, sodass nur Tretschkow sie sah.
»Ich muss Sie einen Moment sprechen«, sagte er dem Trompeter. »Am besten unter vier Augen.«
Tretschkow stand auf. Sie setzten sich in eine ruhige Ecke an die Bar.
»Meine Papiere sind in Ordnung«, meinte der Musiker, bevor er sich setzte, und suchte seine Taschen ab. Er sprach nahezu akzentfreies
Deutsch.
»Es geht nicht um Sie. Es geht um eine Sängerin. Lana Nikoros.«
Tretschkow setzte sich neben Rath. »Lana. Haben Sie sie gefunden?«
»Wie meinen Sie das?«
»Also nicht. Würde
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