Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
schwiegen eine Weile.
    »Sie haben mir immer noch nicht erzählt, wie Sie bei der Sitte gelandet sind? Haben Sie sich in eine Juwelendiebin verliebt,
     die Sie auf die Wache bringen sollten?«
    So war es dem Schupo vorhin im Film ergangen. Und zu allem Überfluss hatte er auch noch deren Gangsterfreund umgebracht. Doch
     am Ende hatte die Diebin ihren geliebten Schupo durch ein Geständnis gerettet und war für ihn in den Knast gegangen. Ziemlich
     an den Haaren herbeigezogen, aber ganz amüsant. Nur dass sie mit dem Polizeialltag wenig zu tun hatte.
    Das schien er auch zu denken. »Schön wär’s«, sagte er. »Die Wirklichkeit ist weniger romantisch: Ich wollte nach Berlin. Und
     am Alex war nichts anderes frei.«
    »Woher kommen Sie denn?«
    Er blickte sie erstaunt an. »Sagen Sie bloß, das hört man nicht?«
    »Rheinland?«
    »Und ich hatte gehofft, ich wäre meinen Akzent losgeworden. Hab mich sogar schon beim Berlinern erwischt.«
    »Eigentlich wollte ich ja wissen, in welchem Ressort Sie früher gearbeitet haben.«
    »Alles von schwerer Körperverletzung bis Mord.«
    Sie war erstaunt. Das hätte sie nicht gedacht. Ein Kommissar, der schon als Mordermittler gearbeitet hatte, war freiwillig
     zur Sitte gegangen. Nur weil er nach Berlin wollte. Das hätte auch nicht jeder gemacht. Sie aß schweigend weiter und hing
     ihren Gedanken nach.
    »Warum wollen Sie Polizistin werden?«, fragte er sie unvermittelt.
    »Weil es zu wenig Frauen in diesem Beruf gibt. Und weil ichetwas gegen Leute habe, die denken, sie können machen, was sie wollen, und kommen damit auch noch ungeschoren davon.« Sie
     hatte nicht lange überlegen müssen. »Aber eigentlich ist das noch nicht ausgemacht, dass ich Polizeibeamtin werde, erst mal
     muss ich studieren«, schob sie schnell nach.
    Er nickte ernst. »Sie haben recht. Es gibt nichts Schlimmeres, als den Aktendeckel über einem ungelösten Fall schließen zu
     müssen.«
    »Ja. Glücklicherweise haben wir unter Gennat nicht allzu viele nasse Fische.« So nannten sie in der Burg die ungelösten Fälle.
     Sie schaute ihn an, er schien den Ausdruck zu kennen. »Die Inspektion A hat eine enorm hohe Aufklärungsquote«, fügte sie hinzu
     und hätte sich im selben Moment auf die Zunge beißen können.
    »Dann arbeitet der Kollege Böhm ja im Moment gegen die Statistik«, sagte er. »Als ich ihn am Montag im Konferenzsaal erlebte,
     hatte ich das Gefühl, dass seine nasse Leiche auch zu einem nassen Fisch zu werden droht.«
    Sie nickte. »Stimmt. Sieht schlecht aus. Ich bin heute nach drei Tagen Pause wieder im Dienst erschienen, und der Ermittlungsstand
     ist noch derselbe wie Sonntag. Das passiert selten.«
    »Wissen Sie denn inzwischen, um wen es sich bei dem Toten handeln könnte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind alle Vermisstenfälle seit 1927 durchgegangen, wir haben sämtliche Anwohner mehrfach befragt,
     fast alle Zeitungen haben ein Foto abgedruckt, doch bis auf die üblichen Idioten hat sich niemand gemeldet. Es ist schon seltsam,
     dass niemand diesen Toten zu kennen scheint.«
    Er nickte. »Kaum zu glauben. Da wird mitten in einer Viermillionenstadt ein Toter gefunden, und von sämtlichen vier Millionen
     Einwohnern scheint ihn kein einziger jemals gesehen zu haben.«
    »Einer muss ihn gesehen haben.«
    »Sie meinen den Mörder?«
    »Genau. Aber der wird sich nicht melden.«
    »Dann haben Sie gar nichts, wo Sie ansetzen können?«
    »Wenn Sie schon einmal Mordermittler waren, dann wissen Sie ja, was es heißt, eine unidentifizierte Leiche zu haben. Normalerweise
     sucht man den Täter in der Umgebung des Opfers, Freunde, Feinde, Familie, Geschäftspartner. Nur, wie sollen wir das, wenn
     wir nicht einmal wissen, wer da überhaupt gestorben ist?«
    »Haben Sie denn sonst keine Spuren?«
    »Wir haben kaum Anhaltspunkte. Der Mann trug einen teuren Anzug, niemand kennt ihn, und er hatte schlechte Zähne. Er fuhr
     ein teures Auto, das aber gestohlen war. Er ist gefoltert worden und starb an einer Heroin-Vergiftung. Er war schon acht bis
     zehn Stunden tot, als das Auto mit ihm in den Kanal fuhr. Jemand hat das Gaspedal mit einer Metallstange fixiert. Kurioserweise
     mit der Lenkstange eines Opels. Das alles ergibt keinen Zusammenhang.«
    »Mögen Sie Ihren Chef?«
    »Böhm?« Sie zuckte die Achseln. »Was heißt mögen? Er ist jedenfalls längst nicht so brummig, wie er immer tut.«
    »Alle Inspektionen sollen der Mordinspektion in diesem Fall helfen. War das seine

Weitere Kostenlose Bücher