Der Nautilus-Plan
Liz den Fiat aufmerksam im Auge, als Simon mit quietschenden Reifen um die Ecke bog. Der Fiat hielt am Straßenrand an, und ein junger Mann in einem Smoking sprang heraus. Er lief auf die Beifahrerseite und öffnete die Tür, worauf sich eine junge Frau in einem kurzen Kleid herauswand und ihren Kavalier unter langen Wimpern hervor anlächelte.
Liz wandte sich schmunzelnd Simon zu. »Wegen der beiden brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die haben anderes im Sinn.«
»Apropos Sorgen machen …« Er wies mit dem Kopf auf ihren Arm.
»Ein harmloser Kratzer. Eine Kugel hat meinen Arm gestreift, mehr nicht.«
»Endlich rückst du mit der Sprache raus.«
»Bei dem, was sonst noch passiert ist, schien es mir nicht wichtig. Ich habe die Wunde selbst verbunden.«
»Trotzdem solltest du …«
Sie drehte sich auf dem Sitz nach hinten. »Wir sind gerade an einem Parkhaus vorbeigekommen. Dort könnten wir den Wagen abstellen, ohne dass ihn so schnell jemand entdeckt. Soviel ich im Vorbeifahren mitbekommen habe, ist es allerdings nur für Dauermieter. Wir müssen also sehen, dass wir irgendwie reinkommen.«
»Versuchen können wir es ja mal.«
Im verkehrsreichen Paris waren Stellplätze in einem Parkhaus normalerweise schwer zu bekommen. Autobesitzer warteten nicht selten Monate, manchmal sogar Jahre, auf einen Dauerstellplatz. Angesichts dieser großen Nachfrage waren solche Parkhäuser selten gekennzeichnet, weshalb Liz die schmale Einfahrt erst bemerkt hatte, als sie schon halb daran vorbei waren.
»Ist es okay, wenn ich die Uzi in deiner Sporttasche verstaue?«, fragte sie. »Dort ist sie nicht zu sehen.«
»Pack doch auch noch die Fotomappe rein, ja?«
Er fuhr einmal um den Block und näherte sich der dunklen Garageneinfahrt ein zweites Mal. Eine Gruppe von Partygängern flitzte über die Straße und löste ein wildes Hupkonzert aus. Simon nutzte die kurze Verzögerung, um in die Garage zu fahren.
Ein Parkwächter kam ihnen mit abweisender Miene kopfschüttelnd entgegen und winkte sie zurück. »Non, non.« Er hatte ein stoppliges Kinn, aber eine frisch gebügelte Uniform. Sein Gang war locker, aber sein Gesichtsausdruck entschlossen und offiziell.
»Soll ich …«, begann Liz.
»Nein, lass mich nur machen.« Simon kurbelte das Fenster nach unten. »Bonsoir, Monsieur.« Eine Aura von Selbstvertrauen, eine gewisse Glätte und ein gängiger französischer Name waren die Zutaten seines Kurzfilms.
Der Parkwächter war ungehalten. »Parken nur für Dauermieter«, verkündete er auf Französisch und machte eine Bewegung mit seinen Händen, als wolle er den Peugeot zurück auf die Straße hinausschieben.
Simon bedachte ihn mit einem unbeeindruckten, beiläufigen Lächeln. »Ich darf den Stellplatz meines Freundes benutzen«, erklärte er auf Französisch. »Er ist ein paar Tage verreist. Nach Nizza. Das hat er Ihnen doch sicher gesagt?«
Die Falten auf der Stirn des Parkwächters vertieften sich. »Ich kann mich nicht an Sie erinnern, Monsieur.«
Simon verzog das Gesicht. »Das sieht Jean-Michel mal wieder ähnlich. Sicher hat er vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen. Dafür können Sie natürlich nichts. Aber so etwas ist typisch Jean-Michel. Auf den Kerl ist einfach kein Verlass, findest du nicht auch, Schatz?« Er sah Liz an.
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Na ja, inzwischen kennt man das ja von ihm, mon chéri. Außer natürlich, ein Mädchen ist im Spiel. Dann legt er sich immer mächtig ins Zeug.« Sie sah auf ihre Uhr. »Können wir jetzt hier parken oder nicht? Wir dürfen Marie nicht warten lassen.«
»Das sollten wir allerdings nicht.« Simon sah zum Parkwächter hoch. »Wir haben Sie schon genug aufgehalten. Wie ich sehe, haben Sie ziemlich viel zu tun. Jean-Michel hat uns die Nummer gegeben. Wir finden den Stellplatz schon selbst.«
Der Parkwächter linste zu einem kleinen verglasten Büro hinüber, wo eine Thermoskanne und ein Croissant auf ihn warteten. Die Prioritäten des Mannes standen fest.
»Merci beaucoup« , sagte Simon gut gelaunt und fuhr los.
»Was macht er?«, fragte Liz sofort. »Kommt er hinter uns her? Geht er telefonieren?« Um den Parkwächter nicht noch argwöhnischer zu machen, sah sie sich bewusst nicht um.
Simon spähte in den Rückspiegel. »Er steht nur da und sieht uns hinterher. Vermutlich überlegt er noch.« Er steuerte den Peugeot langsam eine schmale Rampe hinauf, vorbei an Autos, die so dicht nebeneinander standen, dass sich ihre Türen nicht bis zum Anschlag
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