Der Nautilus-Plan
das Parkhaus. Sonst rufe ich die Polizei.«
Liz stieg mit ihrer Handtasche und Simons Sporttasche aus. Sie lächelte Simon über das Autodach hinweg an. »Schon gut, Homer. Ich bekomme sowieso langsam Hunger. Und wir sollten Marie nicht noch länger warten lassen. Wir sind ohnehin schon spät dran.«
Simon zwinkerte ihr zu und wandte sich wieder dem Parkwächter zu. »Sie ist der Boss.«
Darauf gingen sie los, und Liz reichte Simon die Sporttasche. Sobald sie das Treppenhaus betraten, hörten sie den Mann zur Auffahrtrampe gehen.
Simon steckte seine Pistole in die Sporttasche, zog aber den Reißverschluss nicht zu. Er lächelte Liz kurz zu. »Als Homer habe ich mich eigentlich nie gesehen.«
Sie erwiderte das Lächeln. »Du hast es mir heimgezahlt, als du mich als Boss bezeichnet hast.«
Leise lachend ging sie vor ihm die Treppe hinunter, aber ihre vordergründig gute Laune verbarg ihren verzweifelten Wunsch nach einem Ort, an dem sie ungestört arbeiten konnten, und nach einem Fachmann, der ihnen half, Simons Dokumente auszuwerten. Sie standen dicht davor herauszufinden, wer hinter diesen Morden stand und wo die Aufzeichnungen beziehungsweise Sarah und Asher waren, vorausgesetzt, sie waren noch am Leben. Liz unterdrückte ein Schaudern und begann schneller zu gehen.
Sie hatten kaum begonnen, die Treppe hinunterzusteigen, als Liz abrupt stehen blieb. Ihr Lächeln verflog. Von unten näherten sich leise Schritte.
»Diesmal sind es mehr als nur einer«, flüsterte Simon. »Sie versuchen, möglichst keinen Lärm zu machen.«
»Das muss nicht unbedingt etwas bedeuten.«
»Könnte es aber.«
Liz hatte das Blutbad in dem Lagerhaus noch in lebhafter Erinnerung, weshalb sie schnell zur nächsten Etage hinablief. Simon folgte ihr. Sie gingen in Deckung und warteten.
DREIUNDDREISSIG
Sechzig Jahre alt und bei glänzender Gesundheit, joggte Prometheus am dunklen Ufer der Seine entlang. Er war schweißdurchnässt, aber er merkte es kaum. Von mittlerer Größe und Statur, hatte er immer schon viel Sport getrieben – Tennis, Golf, Laufen. Sein gebräuntes Gesicht war von Jahren intensiver Sonneneinstrahlung tief zerfurcht.
In der Öffentlichkeit war er für seinen Reichtum, sein soziales Engagement und seine weitreichenden Beziehungen bekannt. In Wahrheit jedoch lebte Prometheus insgeheim ein Leben in Einsamkeit und Verbitterung. Seine extreme Reizbarkeit war berüchtigt bei seinen Mitarbeitern. Er war fünfmal geschieden und lebte zur Zeit allein, mit Wohnungen in New York, Paris, London und Rom. Er war einer der großen Spekulanten der Neuen Welt, ein Pionier der Hedge Fonds, die in ihren weit zurückliegenden Anfängen noch etwas völlig Neuartiges gewesen waren.
Seine Nike-Schuhe hämmerten auf das Pflaster, als er in weißen Shorts und weißem T-Shirt an den berühmten Bücherständen am Seine-Ufer entlangtrabte. Da er nicht zur Nabelschau neigte, hatte er keine Ahnung, warum er gerade jetzt das Bedürfnis zu laufen hatte. Er sah keinen Zusammenhang zu dem Umstand, dass er an diesem Tag erfahren hatte, dass ihn der Staat New York zivilrechtlich belangen wollte, weil er Darmond Brokerage als Gegenleistung für hochinteressante Aktienangebote einträgliche Geschäfte zugeschanzt hatte.
Trotzdem war Prometheus erbost und mehr als nur ein wenig beunruhigt. In dieser neuen Zivilklage wurde er beschuldigt, Firmen-Anlagegeschäfte für InQuox – seine eigene Investmentfirma – der Brokerabteilung der Darmond Bank überlassen und dafür Vorzugsangebote für Neuemissionen erhalten zu haben. Bei dieser an der Wall Street weit verbreiteten, auch als »Spinning« bezeichneten Praxis wurden leitende Firmenangehörige mit begehrten Erstemissionen belohnt.
Der Attorney General des Staates New York klagte auf die Zahlung einer Summe von 28 Millionen Dollar, des Gewinns, den er durch den Verkauf seiner Erstemissionsanteile gemacht habe. Aber das war noch nicht alles. Das Arschloch wollte weitere 500 Millionen – einfach unerhört! – von den Gewinnen aus seinem Verkauf von InQuox-Anteilen. Sein Anwalt hatte ihm die Pressemeldung vorgelesen, da er die schriftliche Klage noch nicht erhalten hatte. »Die Anteile waren unrechtmäßig in seinen Besitz gelangt, da sie von den Darmond-Analysten absprachegemäß der Öffentlichkeit wärmstens empfohlen wurden.«
Er kannte den Attorney General von verschiedenen Vernissagen im Metropolitan Museum of Art, von denen er sich keine entgehen ließ, wenn er sich gerade in New York
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