Der Nautilus-Plan
mich nicht zu erkennen geben, damit sie keinen Verdacht schöpfen. Was den Rest angeht, müssen wir es einfach drauf ankommen lassen.«
Als er die Nummer eintippte, beobachtete er die Straße unter ihnen und dachte über eine Fluchtmöglichkeit nach.
Dann unterbrach er abrupt die Verbindung und schnitt ein Gesicht. »Der arme Clive. Ich hab ihn geweckt. Er war, glaube ich, ziemlich sauer.«
»Gut. Clive hat sich jedenfalls nicht geändert. Wenn wir Glück haben, trifft das auch auf Onkel Henry zu. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir erst mal hier mit heiler Haut rauskommen müssen. Was hältst du davon, wenn wir es durch das Parkhaus versuchen?«
»Nur, wenn du es mit drei bewaffneten Goliaths aufnehmen willst. Hin und wieder kommt etwas Zigarettenrauch nach draußen. Deshalb weiß ich, dass sie noch da sind. Wir sitzen in der Falle. Es sei denn, dir ist nach einer kleinen Schießerei.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Ein andermal vielleicht. Außerdem sollten wir lieber ohne großes Aufsehen entwischen, damit wir Henry ohne lästige Verfolger aufsuchen können.«
»Wenn man in der Falle sitzt, ist das allerdings nicht ganz einfach.« Plötzlich erstarrte Simon, und sein Blick wurde noch wachsamer.
Liz blickte nach unten. Halb trugen, halb zogen zwei Männer eine leblose Gestalt aus dem Parkhaus. Über Gesicht und Oberkörper war eine Jacke geworfen, aber darunter konnte Liz die Uniformhose des Parkwächters erkennen. Als die zwei Männer auf einen Toyota zueilten, glitt die Jacke zu Boden, sodass sein Gesicht und eine blutende Bauchwunde sichtbar wurden.
»Tot«, bemerkte Simon überflüssigerweise.
Einer der Killer hob die Jacke vom Boden auf und breitete sie wieder über den Toten. Dann packten sie ihn auf den Vordersitz des Toyota und nahmen ihn zwischen sich, damit er nicht auf die Seite kippte.
»Ich hab’s!« Simon wählte auf seinem Handy. »Genau deswegen darf man nie aufhören, alles zu beobachten. Situationen ändern sich.«
Liz schaute auf die Straße hinab. »Wovon redest du überhaupt? Welche Situation soll sich geändert haben?«
Simon hielt die Finger an seine Lippen. In hektischem Französisch schrie er entsetzt in das Handy: » Mon Dieu! Terroristen! Sie schießen wild um sich!«
In Pigalle drückte die Polizei bei zwielichtigen Aktivitäten gelegentlich mehr als nur ein Auge zu, aber nicht bei einem Mord, und schon gar nicht, wenn jemand einen Terroranschlag meldete. Während Simon den Toyota und den Lieferwagen beschrieb, eilte Liz zum Schrank und zog eine schwarze Jeans, eine Bluse und eine Jacke heraus. Mit etwas Glück könnten sie in wenigen Minuten entkommen.
Sobald Simon das Gespräch beendet hatte, warf sie ihm die Sachen zu. »Klasse Idee! Schnell, zieh dich um.« Sie packte die Fotomappe in seine Sporttasche und legte die Uzi so hinein, dass sie nicht zu sehen war. Sie durften jetzt auf keinen Fall der Polizei ins Netz gehen.
Simon schüttelte verständnislos den Kopf. »Unsere Gastgeberin dürfte schwerlich etwas haben, was mir passt.«
»Dann mach dich auf eine Überraschung gefasst.« Sie ging zur Kommode, zog eine Schublade heraus und reichte ihm zwei gerahmte, mit Scharnieren aneinander befestigte Fotos. »Die habe ich gefunden, als ich was zum Anziehen gesucht habe.«
Er hielt die Bilder so, dass das Licht der Straßenbeleuchtung auf sie fiel. Ein Foto zeigte einen Mann in Anzug und Krawatte, das andere eine Frau in einem langen Abendkleid. Der Mann war gut aussehend, die Frau atemberaubend.
»Komm schon, Sherlock«, sagte sie. »Was siehst du?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Aber klar doch. Ich habe die Kleider gefunden, um es zu beweisen – Männer- und Frauensachen. Alle die gleiche Größe. Kommst du dir jetzt wie ein Idiot vor?«
Er betrachtete die Fotos – dieselbe schmale, gerade Nase, dieselben flachen Wangenknochen, dasselbe Grübchen im Kinn. »Sie könnten Bruder und Schwester sein«, sagte er zögernd.
Sie lachte. »Er ist eine Sie. Oder sie ist ein Er. Apropos Sexismus. Das haben wir uns selbst zuzuschreiben. Weißt du übrigens, was mein Dad bei solchen Gelegenheiten immer gesagt hat?«
Er streifte seine Schuhe ab. »Nein, aber ich bin sicher, du wirst es mir gleich erzählen.«
Während er seine Hose auszog, fuhr sie fort: »Einer seiner Lieblingssprüche war: Glauben heißt nichts wissen.«
»Das passt zu Onkel Hal.« Simon zog sein Hemd aus.
Liz wandte sich ab. Seine langen Beine, die breite Brust, die
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